Bibelkommentar zu Johannes 20, 1 - 9

Drei Menschen, die Jesus lieben, sind die Ersten, die die Osterbotschaft erfahren. Petrus, Johannes und Maria von Magdala. Diese erste erschütternde Entdeckung des Ostermorgens kann von allem Leid und Tod dieser Welt nicht zugedeckt werden.

"Das ist der Tag, den Gott gemacht, der Freud in alle Welt gebracht" - so und ähnlich stimmen die Christen in aller Welt den Osterjubel an. Die Osterlieder, die Ostererzählungen in den vier Evangelien, das Osterzeugnis in der heiligen Schrift des neuen Bundes sind weitaus älter, als die Weihnachtserzählungen von der Geburt des Messias. Ostern ist Anfang und Ursprung, Grundlage, Ausgangspunkt und Urbekenntnis christlichen Glaubens.

Aber nicht alle Christen feiern heute das Osterfest. Das Unterscheidende und Trennende zwischen der östlichen und westlichen Tradition bleibt leider immer noch der zeitverschobene Ostertermin.

In diesem Jahr wird mit dem Osterfest der westlichen Tradition zeitgleich auch das achttägige Pessachfest der Juden gefeiert. Pessach verlebendigt den Auszug des erwählten Volkes aus Ägypten, den Durchzug durch das Rote Meer und den Einzug in das verheißene Land, also Gottes Heilswirken am Volk, mit dem er seinen Bund geschlossen hat. Ohne das jüdische Pessach wäre das christliche Ostern nicht verständlich, ohne die Heilstaten Gottes an seinem Volk Israel wäre die Heilstat Gottes durch Jesus Christus in seiner Kirche nicht verstehbar.

In den 50 Tagen der Osterzeit, die im Kirchenjahr eine herausgehobene Zeit ist, üben sich die Christen in die österliche Existenzweise ein, das heißt, in das Eigentliche ihres Christseins. Auferstehung ist nicht eine Erfindung des Menschen, entspricht nicht seiner Einbildung, auch nicht seinen frommen Vorstellungen, ist nicht das Produkt einer wissenschaftlichen Abhandlung und entspricht nicht der Logik geschichtlicher Abläufe. Ostern, die Auferweckung Jesu Christi, ist vielmehr der Neuanfang Gottes mit den Menschen, eine Neuschöpfung des ganzen Universums. In diesem Tun bewahrheitet sich Gott als Gott.

Das Johannesevangelium des Ostersonntags redet von drei österlichen Menschen: Maria von Magdala, Petrus und Johannes.

Früh, als es noch dunkel ist, kommt Maria von Magdala zum Grab, sie meidet den Toten nicht, sie sucht die Nähe zum Gekreuzigten. Sie findet seinen Leichnam nicht und ist verzweifelt. Mit den Anderen, Petrus und Johannes, Menschen also, die mit Jesus schon vor seinem Scheitern am Kreuz zu tun hatten, macht sie sich auf die Suche. Eine Suche, die nie enden wird, eine Suche, die für alle Christinnen und Christen ein lebenslanger Weg bleibt.

Christen behübschen nicht die Kreuzeserfahrungen menschlicher Existenz und leugnen nicht den gekreuzigten Gott, sie teilen mit den Frauen und Männern, die von Jesus in die Nachfolge gerufen wurden, den Verlust aller Sicherheiten, das Hinauslehnen in die Nacht des Nichtssein, die Zertrümmerung aller Hoffnungen. Sicher sind auch die Christen von Angst gezeichnet, wie die Jünger, die nach dem Karfreitagsgeschehen aus Angst die Türen verschlossen haben, die Türen ihres Lebens und die Türen ihres Glaubens. Der Glaube, zu dem Christen sich bekennen, der österliche Glaube, lehrt, mit diesen Erschütterungen zu leben, mit dem Ungeplanten, mit dem Unkalkulierbaren und Unvorhersehbaren. Gott im Grab, ein Relikt von gestern, eine Projektion meiner Sehnsüchte und Sentimentalitäten, ein solch lebensfremder Gott ist kein österlicher Gott. Ich bin überzeugt: Dem Auferstandenen kann man nur begegnen, wenn man den Grabstein des intellektuellen Hochmutes wegräumt, wenn man Ihm den Zugang zum Menschen nicht verbarrikadiert und wenn ich mich selbst oder etwas anderes nicht vergöttliche, das nicht Gott ist.

War das Grab Jesu wirklich leer? Und wenn es leer war - beweist das die Auferstehung Jesu? Über diese Fragen gibt es volle Bibliotheken theologischer Abhandlungen. Für mich treffen sie das Eigentliche nicht. Auch am ersten Ostermorgen geht es nicht um detaillierte geschichtliche Abläufe, sondern um eine Wirklichkeit, um Gottes Wirklichkeit mitten in der Geschichte dieser Welt. Von Petrus und Johannes wird heute im Evangelium gesagt: "Noch hatten sie die Schrift nicht verstanden, dass er von den Toten auferstehen müsse." Ich bin überzeugt, die Begegnung mit dem Auferstandenen begründet und provoziert den Glauben an einen Gott, der Leben ist. Osterglaube ist niemals ein Produkt theologischer Winkelzüge, ist kein Ergebnis menschlicher Sehnsüchte und Projektionen, sondern gründet nur in der österlichen Begegnung mit Ihm, der nicht am Kreuz endet und nicht im Grab verwest.

Maria von Magdala wurde die erste österliche Zeugin, ihre Erstarrung hat sich in Freude und Glauben gewandelt. Glauben und Freude werden weitergegeben: an die Beiden, Petrus und Johannes, an die Jünger, an die nachösterliche Generation.

Ostern ist kein Faktum, sondern Begegnung Gottes mit den Menschen und des Menschen mit Gott. Das ist eigentlich österliche Theologie. Höhepunkt dieser Begegnung ist für die Christinnen und Christen die Feier der Eucharistie, das Geheimnis von Tod, Auferstehung und Wiederkunft des Herrn. Die Feier der Eucharistie, die Begegnung mit dem Auferstanden im Hören auf sein Wort und im Brotbrechen ist der Schlüssel zum Verständnis von Ostern. Der suchende, glaubende und zweifelnde Mensch bleibt kein unbekannt Mitreisender, kein Fremdling für Gott, kein Orientierungsloser, sondern er hat Teil am Leben mit Gott. Gott eröffnet allen Menschen eine neue Geschichte, nicht eine Geschichte des Scheiterns, sondern eine Heilsgeschichte, eine Geschichte mit und nicht gegen die Menschen.

Meine österliche Begegnung mit dem Auferstandenen, meine Glaubenserfahrung wird mit den drei Genannten des heutigen Evangeliums eine große Ähnlichkeit haben, im Wesen ist sie sogar dieselbe: Der, dem ich in meinem Leben schon zweifelnd und suchend begegnen durfte, ruft mich aus meinen engen Grenzen heraus. Die Begegnung mit dem Auferstandenen ist möglich. Christliches Leben ist immer österliches Leben.