Yanomami-Oper "Amazonas"
In regelmäßigen Abständen kommt die Zerstörung des Regenwaldes in die Schlagzeilen. Die Gründe dafür sind ja bekannt: vor allem Abholzung, um das hochwertige Tropenholz zu verarbeiten und großflächige Brandrodung, um Anbauflächen zu gewinnen. Man kennt auch die Katastrophenszenarien für die Umwelt, im Kontext der globalen Klimaerwärmung, mit unabsehbaren Folgen für die Menschen.
23. November 2023, 15:32
Zahlreiche Initiativen und Persönlichkeiten versuchen, dieser Entwicklung entgegen zu wirken, so auch der brasilianische Universitätsprofessor Laymert Garcia dos Santos. Er arbeitet mit den Schamanen des Yanomami-Volkes im Amazonas-Gebiet Brasiliens zusammen, unter anderem entstanden so eine Oper und mehrere Filme.
Morgenjournal, 9.4.2013
Vor 20 Jahren haben die Yanomami einen wichtigen Etappensieg errungen: ihr Lebensraum wurde als sogenannter Yanomami-Park abgegrenzt, ein Gebiet an der Grenze zwischen Brasilien und Venezuela, etwa so groß wie Portugal, wo sie sich frei bewegen können. In den 1970er und 80er Jahren wurden sie durch illegale Goldschürfer dezimiert, sie wurden erschossen oder starben an Krankheiten, gegen die sie nicht immun waren. In sieben Jahren starben 20 Prozent der Yanomami, heute sind sie auf 30.000 Menschen geschrumpft.
"Die Yanomami sind eines der ältesten Völker auf dem amerikanischen Kontinent. Das Faszinierende ist, dass sie es geschafft haben, ihre Kultur und Traditionen grosso modo bis heute zu retten", sagt Laymert Garcia Dos Santos, Professor für Soziologie an der Universität Campinas im Staat Sao Paolo. Als Leiter einer NGO ist er maßgeblich beteiligt an der Schaffung des Reservats für die Yanomami.
Lebendiger Schamanismus
Die Siedlungen der Yanomami sind Rundhäuser, die um einen großen Platz gebaut werden. Dutzende Menschen leben darin, sie bauen Obst und Gemüse an, und wenn der Boden nichts mehr hergibt, ziehen sie weiter. Durch dieses Nomadentum ist ihre Kultur nicht von Objekten geprägt, sondern essenziell vom Schamanentum. In jedem Dorf gibt es zwei bis drei Schamanen. Und die Kultur spielt sich in deren Körper ab.
"Der Schamanismus ist sehr lebendig, er besteht aus uralten Techniken zum Erreichen von virtuellen Realitäten, die wir nicht kennen", sagt Laymert Garcia dos Santos. "Das ist das Geheimnis dieser Kultur, einer sehr raffinierten Kultur." Um diese Zustände zu erlangen, atmen sie ein halluzinogenes Pulver ein, genannt Yakohana, das aus der Rinde eines bestimmten Baumes gewonnen wird. Westliche Konsumenten solcher Drogen werden dann völlig passiv. "Sie hingegen können ihre Visionen modulieren und beherrschen, wie wenn man sich durch verschiedene Fernsehkanäle zappt, und unterschiedliche Realitäten erleben."
Eine Oper für die Yanomami
In den letzten Jahren haben ältere Schamanen zunehmend apokalyptische Visionen des Endes des Regenwaldes. Gleichzeitig schreitet auch dessen industrielle Zerstörung fort. 2006 haben nun Laymert Garcia Dos Santos, der ehemalige Intendant der Salzburger Festspiele, der Komponist und Dirigent Peter Ruzicka, sowie Peter Weibel, Leiter des ZKM, des Zentrums für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe, die Idee einer multimedialen Oper geboren, die transkulturell, also in Kooperation zwischen den Westlern und den Yanomami entstehen sollte.
Die Oper "Amazonas" wurde 2010 bei der Münchner Biennale uraufgeführt. Teil 1 zeigt die Situation im Amazonasgebiet aus der Perspektive des Westens, Teil 2 aus der der der Yanomami - beide sind vom 25. bis 27. April im Wiener Museumsquartier, im Rahmen des netzzeit-Festivals Out Of Control zu sehen. Der dritte, virtuelle Teil, ist inzwischen eine Installation im ZKM in Karlsruhe.
Interessant der Kommentar eines Schamanen, nachdem er die Oper gesehen hatte: "Kunst ist für euch sehr gut. Uns hilft sie in unserem Kampf für unser Territorium, aber für uns Schamanen ist das wie ein Kinderspiel!" Schlussfolgerung von Laymert Garcia Dos Santos: "Unsere westliche Kunst ist für sie ein Kinderspiel, im Vergleich zu ihren inneren Reisen mit Hilfe der Yakohana, da reisen sie sehr intensiv und weit."
Im Zuge seines Wien-Aufenthaltes wird Laymert Garcia Dos Santos auch seinen Film "Xapiri" zeigen. In der Sprache der Yanomami heißt Xapiri "Geist".