Neue Krimireihe rund um eine serbische Kriminologin

Kornblumenblau

Milena Lukin - diesen Namen sollte man sich merken. Die serbische Kriminologin - Produkt des Autorengespanns Christian Schünemann und Jelena Volic - löst in Belgrad ihren ersten Fall, und der hat es in sich. Um es vorweg zu nehmen: Der Roman "Kornblumenblau" ist außergewöhnlich und gut, wenn nicht sogar außergewöhnlich gut.

Kornblumenblau sind die Uniformen einer serbischen Eliteeinheit. Dass ausgerechnet hier eine Sekte die Hände im Spiel und zwei der Soldaten in einen rituellen Selbstmord getrieben haben soll, will Lukin und ihrem Freund, dem Anwalt Sinisa Stojkovic, nicht in den Kopf. Und so machen sich beide auf die Spurensuche - eine äußerst gefährliche Mission. Denn sie stoßen bei ihren Nachforschungen nicht nur auf heftigen Widerstand beim Militär, sondern auch bei diversen staatlichen Behörden. Der Verdacht eines Politikums liegt nahe.

Was dieses Buch so besonders macht, ist die gelungene Verflechtung eines kriminellen Vorfalls mit der familiären Situation der Heldin und der wechselvollen Geschichte Serbiens. Vor allem mit den Ereignissen in den 1990er Jahren, dem serbischen Massaker an männlichen Moslems in der bosnischen Stadt Srebrenica, die damals den Ruf des Landes nahezu ruinierten und bis heute nachwirken.

Die beiden Autoren führen bildreich durch die serbische Hauptstadt, dass sich das Publikum mit ein klein wenig Fantasie an den Handlungsort versetzt fühlt und sich schon bald zwischen dem Belgrader Stadtwald Topcider, den Brücken über die Save und der Festung Kalemegdan zurechtfindet.

Hintergründe der komplizierten Politik in dem größten Teil des einstigen Vielvölkerstaates Jugoslawien werden offen und anschaulich vermittelt, ebenso wie die Rolle des Militärs - in der Vergangenheit und in der Gegenwart. Nicht zuletzt bewirken verschiedene politische und gesellschaftliche Positionen, dass man unwillkürlich die eigene Haltung gegenüber dem Land überdenkt, zu dem das Verhältnis des restlichen Europas nach wie vor ambivalent ist.

Die "deutschen Zutaten" erschöpfen sich nicht nur in der Berliner Außenpolitik. Lukins Ex-Mann ist Deutscher. Ein deutscher Botschafter tritt als Retter auf und wird vermutlich in folgenden Milena-Lukin-Romanen wieder eine Rolle spielen. Lukin und ihr halbdeutscher Sohn Adam besitzen eine doppelte Staatsbürgerschaft - das Hintertürchen für Adam, wie die Mutter glaubt. Denn sie weiß, dass nichts in ihrem jetzigen Leben sicher ist - weder ihre von Deutschland geförderte Tätigkeit, noch ihre Familie.

Mit "Kornblumenblau" haben der Bremer Autor Christian Schünemann ("Der Friseur", 2006) und die in Belgrad und Berlin lebende Literaturwissenschaftlerin Jelena Volic den Auftakt für eine neue Krimireihe gemacht. Und er ist mehr als gelungen. Auch wenn der erste Fall der Rechtsexpertin Milena Lukin alles andere als leichte Kost ist - Nachschlag ist unbedingt erwünscht.

Text: Frauke Kaberka/dpa