Rampensäue

Die "Café Sonntag"-Glosse von Leo Lukas

Wenn von "Kunst an der Rampe" die Rede ist, drängt sich Bühnenmenschen natürlich sofort der Begriff "Rampensau" auf. Das ist bitte keine Beleidigung, sondern durchaus positiv besetzt. Was wäre das Theater ohne Leute, die sich leidenschaftlich in den Vordergrund drängen? Inexistent, richtig; es gäbe keins.

Allerdings teile ich die Bedenken meiner großen Kollegin Elfriede Hammerl, die vor einiger Zeit in ihrer profil-Kolumne sinngemäß meinte, dass an Selbst- und fast nur sich Selbst-Darstellern heutzutage nicht unbedingt ein gravierender Mangel herrscht. "Wichtiger als alle anderen Kompetenzen", schreibt sie, "ist inzwischen die Fähigkeit, bei der PR in eigener Sache vor Selbstüberschätzung nicht zurückzuschrecken." Allerorten gefragt seien skrupel- und zügellose Ich-AGs, Ellbogen-Ausfahrer, Dampfwalzen, Rampensäue.

In der Tat wird, wer sich nicht vollkommen von den Medien abschottet, permanent mit Personen konfrontiert, die mit wenig Wasser kochen, aber literweise Schampus predigen; die Gott und die Welt kennen, aber keinen Genierer. Der Finanzminister, der mittels Briefkastenfirmen Steuern hinterzieht. Der Ex-Landeshauptmann, der in den Bundesrat wechselt, den er selber vor kurzem noch abschaffen wollte. Der Aufsichtsratschef einer Versicherung, der seinen Porsche 911 bei Schneefall mit Sommerreifen zu Schrott fährt und trotzdem von der eigenen Firma Schadenersatz einfordert … Sie alle scheinen immun gegen den Gedanken, dass sie ihr beträchtliches Salär zumindest theoretisch dafür bekommen, den Interessen des Staates, des Bundeslandes oder der Genossenschaft zu dienen, und nicht primär, weil sie so wahnsinnig tolle Typen sind. Das präpotente Grinsen dieser Maulhelden hängt oft noch in der Luft, lange nachdem sie den Raum verlassen haben, grad so wie bei der Katze aus "Alice im Wunderland".

Ja, ich geb’s zu, mich regt das auf, immer noch, immer wieder. Nur schwachen Trost spendet das Wissen, dass Rampenlicht auch gefährlich sein kann. Bis Ende des 19. Jahrhunderts wurden die meisten Bühnen ja tatsächlich von der Vorderkante aus beleuchtet, mit Kerzen, Petroleumlampen oder offenen Gasflammen, und etliche Ballerinas, die sich zu weit nach vorne wagten, fingen Feuer.

Auch auf der größten Bühne unserer Zeit, dem Internet, kann man sich ganz schön verbrennen, im übertragenen Sinn. Beispielsweise, wenn man auf Facebook in originellem Englisch mit prominenten Busenfreunden angibt, aber deren Namen verwechselt, wie es jüngst jenem Österreicher passierte, der heldenhaft von so hoch oben herunter gefallen ist wie niemand vor ihm. Vielleicht bleibt halt doch etwas zurück, wenn man mit dem Kopf gegen die Schallmauer anrennt. Mittlerweile behauptet der Mann, es habe sich um einen Scherz gehandelt. Und wissen Sie, was wirklich bitter ist? Gar nicht wenige glauben ihm.

P.S.: Ihnen wird vielleicht aufgefallen sein, dass ich keine Namen genannt habe. Das ärgert sie am allermeisten.