Libyen: Milizen verleihen Forderungen Nachdruck
In Libyen sind in den vergangenen Wochen immer wieder bewaffnete Milizen gegen die Regierung aktiv geworden. Mehrfach wurden und werden Ministerien umstellt oder besetzt, ebenso das Fernsehgebäude und die Stomversorger. Einheitliche Gründe für die Aktionen gibt es kaum, aber eine Forderung wurde immer wieder laut: Die nach einer politischen Isolierung ehemaliger Gaddhafi-Gefolgsleute.
8. April 2017, 21:58
Abendjournal, 2.5.2013
Kein Blutvergießen
Sie kommen mit Privatautos und gepanzerten leichten Fahrzeugen, mit Kalaschnikows und schweren Waffen: Milizen, die zuletzt das Innen-, das Außen- und das Justizministerium umstellt haben. Sie halten die Mitarbeiter der Ministerien nicht davon ab, ihr Gebäude zu verlassen, aber sie verhindern, dass sie das Gebäude wieder betreten. Es ist ein Protest, der sich schon über Wochen hinzieht, der aber trotz des martialischen Auftritts bisher ohne Blutvergießen und Tote abgegangen ist, wie der österreichische Handelsdelegierte in Tripolis, David Bachmann, schildert.
Protest gegen Gaddafi-Anhänger
Die Motive sind vielfältig, meist aber lokal bedingt. Es geht darum, Strom zu haben, der immer wieder stundenweise abgestellt wird, Straßen zu bekommen oder Häuser zu bauen. Eine Forderung wurde aber immer wieder erhoben: ehemalige Gaddafi-Gefolgsleute sollen keine öffentlichen Posten mehr haben dürfen. Nach dem Sturz des Diktators wurden zwar die höchstrangigen Gaddafi-Anhänger aus Verwaltung und Politik entfernt, doch jene, die niedrigere Ränge hatten, sind inzwischen nachgerückt. Auf ein Gesetz, das politische Isolierung regelt, konnte sich das Parlament bis jetzt nicht einigen. Die Schwierigkeit beschreibt Bachmann so: "Wo fängt man, Personen zu sagen, ihr dürft nicht mehr in Amt und Würden seinm weil ihr unter Gaddafi auch gedient habt." Ist ein Mitarbeiter eines Ministeriums schon als Gaddafi-Anhänger einzustufen, oder erst ein Sektions-Chef? Im Parlament wollen die Abgeordneten die Regelung weit fassen - zum Teil auch aus Eigeninteresse. Die Milizen verlangen im Namen der Revolution eine möglichst engmaschige Formulierung.
Geteilte Reaktionen
Dass die Milizen noch längst nicht alle entwaffnet oder der Polizei beziehungsweise dem Militär eingegliedert wurden, hat eineinhalb Jahre nach der Regierungsbildung gute Gründe: Niemand wollte neue Konfrontationen, die Regierung setzt auf Konsens - wie bei den Ministeriumsbelagerungen, sagt Bachmann. Die Bevölkerung sehe die Aktionen der Milizen durchaus geteilt. In einem so reichen Land wie Libyen wollen jetzt viele endlich gute Geschäfte machen - und Ministeriumsbelagerungen behindern diese Geschäfte.