Russische Wirtschaft vor Rezession

Russland steht vor dem Abrutschen in die Rezession, warnt eine neue Studie der renommierten Moskauer Hochschule für Wirtschaft, schon jetzt ist das Wirtschaftswachstum praktisch zum Stillstand gekommen. Die Gründe dafür sind weitgehend hausgemacht.

Mittagsjournal, 7.5.2013

"Drastischer Wachstumseinbruch"

Ist Russland schon in der Wirtschaftskrise oder bricht sie erst in der zweiten Jahreshälfte richtig aus - das ist im Moment die am heißesten diskutierte Frage auf den Wirtschaftsseiten der russischen Zeitungen. Sogar Präsident Putin musste vorige Woche eingestehen, dass das Wachstum zuletzt besorgniserregend zurückgegangen sei. Auf den ersten Blick sind die Zahlen nicht dramatisch. Im ersten Quartal ist die russische Wirtschaft im Jahresvergleich um ein Prozent gewachsen. Vor einem Jahr lag das Wachstum aber noch bei über drei Prozent, warnt Walerij Mironow von der Hochschule für Wirtschaft in Moskau: "Wir sehen einen drastischen Einbruch des Wachstums und das alleine ist schon ein Problem. Aber wenn wir uns den Konjunkturzyklus anschauen sehen wir, dass der Höhepunkt des Wachstums überschritten ist und wenn es so weitergeht sind wir im dritten Quartal bereits in der Rezession."

Verlust an Wettbewerbskraft

Für die russische Wirtschaft, im letzten Jahrzehnt erfolgsverwöhnt, ist das ein großes Problem. Auch für die Regierung: Damit Präsident Putin seine Wahlversprechen erfüllen kann, müsste die Wirtschaft pro Jahr um fünf Prozent wachsen, doch davon ist sie weit entfernt. Experte Mironow sieht zwei Gründe für die Entwicklung: einerseits den dramatischen Wandel auf dem internationalen Energiemarkt, der dazu führt, dass zum Beispiel der Gasriese Gasprom immer weniger exportiert und immer weniger verdient. Im letzten Jahr ist der Export von Gas in die EU um sieben Prozent geschrumpft. Noch wichtiger ist aber die Entwicklung in Russland selbst, meint er: "Das Wirtschaftswachstum war zuletzt nur von den Einnahmen von Öl und Gas getrieben. Die Löhne steigen bei uns viel schneller als die Produktivität, gleichzeitig steigen die Preise. Das führt dazu, dass unsere Wirtschaft nicht mehr konkurrenzfähig ist."

Wirtschaft blutet aus

Auch ein zweiter Wachstumsmotor der sogenannten Nuller-Jahre ist längst abgewürgt: Der Zufluss von Kapital aus dem Ausland hat sich umgekehrt, in den letzten Jahren transferieren russische Firmen und Private im Gegenteil selbst riesige Summen ins Ausland, im letzten Jahr 54 Milliarden US-Dollar. Das Land sei für ausländische Investitionen nicht mehr attraktiv, die Wirtschaft blute aus. Doch statt die Unternehmen zu unterstützen, habe die Regierung im letzten Jahr Steuern und Sozialabgaben erhöht und die Lage dadurch weiter verschlimmert. Im ersten Quartal haben mehr als 30.000 Unternehmer ihre Geschäfte aufgegeben, sagt Mironow. Gehe es so weiter werde es bald nur mehr staatliche Konzerne und die Großkonzerne der Oligarchen geben. Russland müsse sein Wirtschaftssystem umstellen, mehr produzieren, auf innovative Produkte setzen. Dazu brauche es die Mittelklasse, doch genau die sei der Führung im Kreml kein besonderes Anliegen: "Damit die Mittelklasse zufrieden ist und aktiv wird muss sie eine Perspektive für die Zukunft und Entwicklungsmöglichkeiten sehen. Stattdessen sehen sie, dass ihre Einkommen und ihre Möglichkeiten stagnieren und das führt zu den politischen Prozessen, die wir jetzt in Russland sehen."

Doch Mironow sieht die Lage nicht ganz pessimistisch. Das aktuelle Wirtschaftssystem des Landes sei am Ende. Und nur eine tiefe Krise könne auch positive Folgen könne bewirken, dass die Führung das endlich einsieht und ernsthaft beginnt einen neuen Kurs einzuschlagen.