Aufruf zur digitalen Selbstverteidigung
Mich kriegt ihr nicht!
"Wir müssen unsere Daten schützen!" appellieren Steffan Heuer und Pernille Tranberg in ihrem Buch "Mich kriegt ihr nicht!". Aber keine Sorge, es geht nicht um europäische Datenschutzstandards und Paragraphen, sondern um den alltäglichen Kampf um unsere persönlichen Daten im Netz.
8. April 2017, 21:58
Das Netz vergisst nie
Ein amerikanischer Politiker muss zurücktreten, nachdem er ein anzügliches Foto von sich auf Twitter veröffentlicht. Ein Komiker verliert sein Engagement, weil er einen Witz über den Tsunami in Japan 2011 im Netz äußert. Und eine Angestellte bekommt Probleme mit ihrem Chef, nachdem sie im Krankenstand ein Restaurant besucht - das aber nicht für sich behält, sondern über eine Applikation im Internet angibt, dort gerade zu speisen.
Mit diesen Beispielen versuchen Tranberg und Heuer zum Thema Arbeitsplatz und Soziale Netzwerke zu sensibilisieren und schreiben, dass immer mehr Leute ihren Arbeitsplatz wegen ihrer Online-Aktivitäten verlieren würden - ohne dies jedoch mit Zahlen zu belegen. Gleichzeitig belehren Heuer und Tranberg, dass auch im Internet die Binsenweisheit "Zuerst denken, dann reden" gelte. Wohl wahr, denn hätten die drei eben beschriebenen Gekündigten zuerst nachgedacht und dann erst gepostet, wären die Probleme vermutlich alle vermeidbar gewesen. Heuer und Tranberg haben dazu auch mit dem amerikanischen Internetphilosophen David Weinberger gesprochen, der die gemeinsame Schnittmenge von Arbeit und Internet relativiert.
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David Weinberger: "Meine Vermutung ist, dass wir einfach lernen müssen, mehr zu vergeben. Wenn Sie mit einem Medium umgehen, das nicht vergisst, muss die Kultur versöhnlicher werden, oder sie geht vor die Hunde, weil jeder dumme Kommentar, den man jemals von sich gegeben hat, im Handumdrehen wieder ausgegraben werden kann. In zwanzig Jahren wird ausnahmslos jeder, der für ein öffentliches Amt kandidiert, irgendwo auf einem sozialen Netzwerk peinliche Bilder veröffentlicht haben."
Tipps und Werkzeuge
Hat der Leser 190 Seiten Internetpanikmache und Online-Angst-schüren überstanden, ist er für den digitalen Selbstverteidigungskampf bestens gewappnet, denn die Tipps und Werkzeuge der Journalisten sind lesenswert und anwendbar: Die Verteidigungsstufe eins beispielsweise beschreibt grundlegende Handgriffe, die jeder Internetuser anwenden soll und auch kann - denn dafür ist kein technisches Grundwissen notwendig.
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Als erstes sollten Sie überprüfen, was Google über Sie weiß. Google konkurriert mit Facebook um den Titel des Anbieters im Netz, der die meisten Daten über die meisten Menschen besitzt. Wenn Sie viele Ihrer alltäglichen Aktivitäten bei Google erledigen (E-Mail, Suche, Picasa-Bilder, Translate, Maps und Dokumente), händigen Sie Google zu viele Teile ihres Identitätspuzzles aus.
Daher raten die Autoren auf der Google-Webseite zu überprüfen, welche Interessen und Themenbereiche Google jedem von uns aufgrund unserer Google-Suche zuordnet. Heuer und Tranberg motivieren die User dazu, auch alternative Suchmaschinen auszuprobieren, wie etwa duckduckgo.com, ixquick.com oder startpage.com. Die Journalisten empfehlen auch, in sozialen Netzwerken Pseudonyme zu verwenden. Das verstoße zwar gegen die Nutzungsbedingungen von Facebook oder Google, sei aber notwendig, um berufliche und private Identität auseinander zu halten.
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Falls Sie Fragen zur richtigen Vorgehensweise haben, fragen Sie einen Teenager. Ihre eigenen Kinder verwenden wahrscheinlich schon längst ein Pseudonym, um einige Dinge vor Ihnen zu verbergen.
Gefahr Facebook
Egal ob unter Pseudonym oder tatsächlichem Namen, für das Posten und Teilen bei beiden Profilen auf Facebook gilt dasselbe:
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Beachten Sie, dass alles, was Sie auf Facebook veröffentlichen wirklich Facebook gehört, nicht Ihnen, einschließlich ihrer Fotos, und dass Facebook einerseits Ihre Daten mit anderen teilt, um Ihnen Anzeigen auch außerhalb von Facebook zu senden, und andererseits verfolgen kann, wo Sie sich im Web bewegen.
Die Autoren raten daher, einen Browser speziell für Facebook zu verwenden, denn auch wenn der Nutzer abgemeldet ist, verfolgt Facebook sonst jeden Schritt und Klick des Users im Internet. Wer nicht möchte, dass die eigene Facebook-Seite über Suchmaschinen auffindbar ist, der sollte unter den Privatsphäre-Einstellungen die "Öffentliche Suche" deaktivieren.
Tipps für Passwörter
Grundlegende Sicherheit im Netz beginnt allerdings schon bei der Sicherheit von Passwörtern.
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Verwenden Sie nicht dieselben Passwörter für mehrere Seiten und achten Sie darauf, Passwörter nicht auf dem Browser von Rechnern zu speichern, die Sie sich mit anderen teilen. Oft ist das Häkchen für "Passwort merken" schon gesetzt, wenn Sie auf eine Seite gehen.
Für Passwörter gilt: regelmäßig ändern und je länger, desto besser. Ein zehn Stellen langes Passwort beispielsweise ist nicht so leicht zu knacken, hier gibt es 4.000 Mal so viele Möglichkeiten für das Codewort, als bei einem Passwort mit nur acht Stellen. Und: Ein Passwort sollte nicht nur aus Buchstaben, sondern immer auch aus Zahlen, Zeichen und Leerzeichen bestehen. Zu besonderer Sicherheit rufen die Autoren auch beim Online-Banking auf.
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Achten Sie immer darauf, dass die Adresse im Browser mit "https" beginnt, also dass die an den Server übertragenen Informationen verschlüsselt werden. Die Browser zeigen das auch mit einem kleinen Schloss oder einer grün unterlegten Adresse an.
Vorsicht bei Bankgeschäften
Auch zu beachten: Seine Online-Bankgeschäfte sollte man immer in einem geschützten Netzwerk und nie über ein öffentliches WLAN-Netz erledigen. Informationen über Kreditkarte oder Bankverbindung sollten immer nur über eine sichere Internetverbindung eingebeben werden. Die Autoren warnen auch davor, das Bankkonto von einem Mobiltelefon aufzurufen, denn das sei zu riskant.
"Mich kriegt ihr nicht!" ist eine Selbstverteidigungs-Anleitung besonders für jene, die nicht mit dem Internet aufgewachsen sind. Gleichzeitig sei den Lesern ans Herz gelegt: Bevor sich zu viel Internet-Angst und Skepsis breit macht, ist es sicher ratsam - wie es die Autoren auch selbst erwähnen - im Zweifel einen Teenager um Hilfe zu ersuchen.
Service
Steffan Heuer, Pernille Tranberg, "Mich kriegt ihr nicht! Gebrauchsanweisung zur digitalen Selbstverteidigung", Murmann Verlag
Murmann Verlag
Google - Anzeigeneinstellungen
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Startpage
DuckDuckGo
Ixquick