Bibelkommentar zu Lukas 24, 46 - 53
Vom Ölberg auf Jerusalem schauen, und das noch bei Sonnenuntergang: wer es einmal erlebt hat, kann es wahrscheinlich nie mehr vergessen. Freude taucht auf. Dankbarkeit. Und viel Sehnsucht beim Erinnern.
10. Mai 2013, 11:12
An damals etwa, als ich mit meinen Studentinnen in der Himmelfahrtskapelle stand. "And here you see", die Stimme des israelischen Guides hallt in dem achteckigen Kreuzritter-Bau, "the footprint where Jesus jumped to heaven". Eine Vertiefung im Stein: angeblich von Jesu rechtem Fuß. Der Abdruck des linken Fußes wurde schon im Mittelalter in die Al-Aqsa-Moschee gebracht …
Dort, am Tempelplatz, beeindruckt das andere Bauwerk aber noch mehr: Qubbat as-Sachra, der Felsendom. Seine Kuppel glänzt weithin golden über "al-Quds", über der "heiligen Stadt" Jerusalem. Himmelfahrt ist auch hier das zentrale Thema. An sie erinnert dieses so bedeutende Heiligtum des Islam: denn von da, vom Felsen weg soll der Prophet Mohammed "al-Miradsch", seine Himmelfahrt angetreten haben. Begleitet von Dschibril, dem Erzengel Gabriel, wurde Mohammed "bis zur äußersten Grenze durch die sieben Himmel hinauf getragen" …
Mitreißend, Augen und Herz nach oben ziehend, diese Geschichte von von den "Himmelfahrten".
Die Himmelfahrt des Jesus bietet im Neuen Testament nur Lukas recht ausführlich, und zwar gleich doppelt: einmal als großes Finale in seinem Evangelium, und ein zweites Mal als Auftakt zu seiner Apostelgeschichte.
Nach der ersten Schrift des Lukas, seinem Evangelium, spielt sich alles in nur 24 Stunden ab. Gleichsam ein "Mega-Ostern-bis-Himmelfahrts-Tag": beginnend "in aller Früh" (Lk 24,1), als die Frauen am leeren Grab stehen; und ebenso Petrus. Unmittelbar daran die für mich faszinierendste Ostergeschichte: der Auferstandene begegnet zwei Jüngern auf dem Weg nach Emmaus. Und obwohl "sich der Tag schon geneigt hat" (Lk 24,29), brechen sie - Lukas wörtlich - "noch in derselben Stunde auf und kehren nach Jerusalem zurück" (Lk 24,33). Dort hören sie die Oster-Botschaft der Apostel und der anderen Jünger: "óntos egérthe ho kýrios kaì óphte Símoni" - "wirklich erweckt ist der Herr und erschienen dem Simon" (Lk 24,34). "Während sie darüber noch reden" - Lukas verdichtet bis aufs Äußerste - "tritt Jesus selbst in ihre Mitte und sagt zu ihnen: Friede mit euch!" (Lk 24,36). Daran schließt sich der Text, den wir eben gehört haben und der dem heutigen Feiertag seinen Namen gibt, nämlich die Aufnahme Jesu in den Himmel. "Und sie, huldigend ihm, kehren zurück nach Jerusalem mit großer Freude" (Lk 24,52). Jetzt erst ist er zu Ende, der lange und theologisch so gefüllte Ostertag des Lukas. Und damit schließt auch sein Evangelium.
Am Anfang der Apostelgeschichte hingegen - der Text wird heute in den katholischen Kirchen als 1. Lesung vorgetragen - in seiner zweiten Schrift geht Lukas ganz anders vor. Da gibt er einen viel längeren Zeitraum an, der zwischen Auferstehung und Himmelfahrt liegt, nämlich vierzig Tage.
Vierzig: diese stimmige Symbolzahl der Bibel, wenn es um Bedeutendes geht, wenn Ent-Scheidung ansteht oder neue Orientierung. Vierzig Tage: Lukas erwähnt sie schon zu Beginn von Jesu Wirken, als er nach seiner Taufe im Jordan fastet (vgl. Lk 4,2). In der Wüste, vierzig Tage und vierzig Nächte: das wird auch im Ersten Testament erzählt, nämlich von Elija und seinem langen Weg zum Berg Horeb - und zu sich selbst. Elija, einer der bedeutendsten Propheten: im Feuerwagen mit Feuerpferden wird er vom Jordan weg in den Himmel entrückt (vgl. 2 Kön 19,11).
Vierzig Tage nach Ostern: die Symbolzahl der Apostelgeschichte, wörtlich genommen, bietet die Basis für den heutigen Feiertag. An dem hoffentlich viele Menschen ein Stück Himmel "er-fahren" oder "er-gehen".