Turrinis "Aus Liebe" an der Josefstadt

"Aus Liebe" nennt sich das neueste Stück von Peter Turrini, das im Theater in der Josefstadt in Wien uraufgeführt wurde. Im Mittelpunkt der Handlung steht, anders als der Titel vermuten lässt, ein grausamer Mord: Ein Mann erschlägt mit der Axt seine Frau und seine kleine Tochter. Sein Motiv ist ein großes Rätsel, dem sich Turrini auf tragikomische Weise nähert.

Morgenjournal, 17.5.2013

"Aus Liebe": So soll vor einigen Jahren der sogenannte "Hackenmörder" auf die Frage geantwortet haben, warum er seine Familie ausgerottet hat.

Dieser reale Fall diente Peter Turrini als Vorlage für sein Stück. Seine Hauptfigur, der vierzigjährige Parlamentsmitarbeiter Michael Weber, dargestellt von Ulrich Reinthaller, ist vor seiner Tat ein in sich gekehrter Charakter, der immerzu ins Leere starrt - während seine Frau, gespielt von Sandra Cervik, verzweifelt versucht, in sein Inneres vorzudringen.

Ein gesellschaftspolitisches Stück

Die Zeiten wilder, leidenschaftlicher Verliebtheit sind vorbei, alles scheint sinnlos: Diesen Eindruck bekommt das Publikum von der Gedankenwelt des Mannes, der sich völlig emotionslos beim Baumarkt eine Axt kauft, vor der Tat seiner Tochter noch eine Gute-Nacht-Geschichte erzählt und sich am nächsten Tag als Mörder der Polizei stellt.

Doch Peter Turrinis Absicht war es nicht, ein Psychogramm des Täters zu erstellen. "Aus Liebe" sei vielmehr ein gesellschaftspolitisches Stück, so der Autor.

Und so ist der Axtmörder in diesem Stück nur eine von mehreren Figuren, denen das Berufs- oder Privatleben übel mitgespielt hat: Marianne Nentwich etwa spielt eine gutbürgerliche, einsame Witwe, die älteren Herren in der Konditorei ihre Torte wegisst, wie es früher bei ihrem Mann gemacht hat; ein Baumarkt-Mitarbeiter wurde vom Fachverkäufer zum Regalschlichter degradiert, und sogar der liebe Gott hat schon bessere Zeiten gesehen: Er findet sich in der Rolle des Straßenpredigers wieder, den alle ignorieren.

Tragische Momente und eine offene Frage

Viele kurze Szenen reihen sich in dieser Aufführung aneinander; und so bleiben die Darsteller die ganzen knapp 90 Minuten über gleich auf der Bühne und beobachten das Geschehen aus dem Hintergrund.

Peter Turrini schafft an diesem Abend eine Reihe an tragikomischen Momenten. Viele seiner Figuren wirken wie vertraute Karikaturen: Ein Polizist, der seinen Rassismus als Wiener Schmäh tarnt, oder eine dicke Prostituierte, die lautstark um ihren Platz am Straßenstrich kämpft.

Seltsam abgekoppelt davon wirkt die Geschichte des schweigenden Mannes, der seine Familie auslöscht. Worin liegt nun das Mörderische in der Gesellschaft? Die Antwort bleibt Peter Turrini in seinem neuen Stück schuldig, für das es am Ende freundlichen Applaus gab.

Service

Ö1 Club-Mitglieder bekommen ermäßigten Eintritt (zehn Prozent an der Tages- und Abendkassa am Aufführungstag)

Theater in der Josefstadt

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