Schorsch Kamerun mit "Agora I"

In den 1980er Jahren war er Teil der Hamburger Hausbesetzerszene. In den 1990ern mischte er die deutsche Musiklandschaft als Teil der Punk-Band Die Goldenen Zitronen auf. Seit nunmehr 13 Jahren macht Schorsch Kamerun Theater und zwar mit recht großem Erfolg.

  • Agora I

    (c) ARMIN BARDEL

  • Agora I

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Bereits 2009 lud er das Publikum der Wiener Festwochen zu einem "Analyse-Parcours" durch den 2. Wiener Gemeindebezirk ein, eine Bezirksbegehung auf der Spur von moderner Sicherheitstechnik und Überwachungsparanoia. Heuer entwickelte Schorsch Kamerun im Auftrag der Festwochen die begehbare Konzert-Installation "Agora" und untersucht Handlungsspielräume des politischen Subjekts. Aufführungsort ist die Wiener Secession.

Kulturjournal, 23.05.2013

Infiltriert via Kopfhörer

Es ist die Stimme von Schorsch Kamerun, dem Hamburger Punk-Rock-Haudegen mit Hang zum Feingeistigem, die da durch einen Kopfhörer ans Ohr dringt. Beim Betreten der Secession wird jedem Besucher ein Kopfhörer ausgehändigt. Als akustisch abgekapselter Solitär soll man sich in der Secession bewegen, wo gerade eine Ausstellung im Rahmen des Wiener Festwochen-Großprojekts "Unruhe der Form" nach dem Politischen in der Kunst fragt. Politisches flüstert auch Kamerun den Besuchern seiner Konzert-Installation "Agora" ins Ohr.

Die Kommandozentrale, aus der man beschallt wird - Schorsch Kamerun und Band also - agiert im Verborgenen. Erst am Ende des Abends wird der Besucher den Ort entdecken, von dem aus man mit widerständigen Botschaften infiltriert wird.

Die versteckte Kommandozentrale

Beackert wird ein Debattenfeld, das in den vergangenen Jahren gründlich vorbereitet worden ist. Schorsch Kamerun nimmt die vielen kleinen Zellen der Empörung in den Blick, die überall auf der Welt aktiv werden und mobil machen gegen ein undurchsichtiges Finanzsystem, das die globale Wirtschaft an die Wand gefahren hat. Die Menschen, so zumindest lautete der Befund von Medien und Meinungsmachern, protestieren wieder. Am Tahrir Platz in Kairo, im Zuccotti-Park in New York, auf der Porta del Sol in Madrid, in den Straßen Londons und jüngst in den Vororten Stockholms, wo sich Wut und Perspektivenlosigkeit in blanker Gewalt entladen haben.

Erlebt die Inbesitznahme öffentlicher Räume eine Renaissance? Man will sich versammeln, diskutieren und protestieren - außerhalb von Twitter und Facebook. Das glaubt auch Schorsch Kamerun: "Zum Beispiel gab's immer dieses Stichwort von der Facebook-Revolution in Nordafrika. Das stimmt, also man hat sich da verabredet, man kann dort Dinge bekannt geben, oder vielleicht auch Autoritäten umgehen. Treffen muss man sich trotzdem, also der Tahrir-Platz ist dann doch das größte Symbol des Protests geworden."

"Agora" nennt Schorsch Kamerun seine Konzert-Installation und bezieht sich damit auf den griechischen Marktplatz als Treffpunkt der Gemeinschaft und Geburtsort der demokratischen Auseinandersetzung. Die Texte, die Kamerun im Rahmen seiner Konzert-Installation "Agora" vortragen wird, basieren auf einem großen investigativen Projekt. In den letzten Jahren hat er rund 500 Interviews geführt und mit seinen Gesprächspartnern über Möglichkeiten des Protests gesprochen.

Die Inbesitznahme des Stadtraums

In "Agora" schafft Schorsch Kamerun einen Diskursraum. Doch Kamerun arbeitet auch mit Akteuren, die er lieber "Mitspieler" nennt. Sie streifen durch den Ausstellungsraum der Secession und zimmern aus Paletten eine Art Laufsteg, auf dem man den Raum durchqueren kann. Man krempelt sozusagen die Ärmel hoch und sucht mit vereinten Kräften nach einem neuen Weg.

Die Dichte der Themen, die Schorsch Kamerun in "Agora" aufwirft, ist groß: Vom Ende der Wachstumsökonomie, von politischen Interventionen, von Selbstverwirklichungsstress ist da die Rede. Das alles wird freilich eher schlaglichtartig beleuchtet als präzise analysiert. Am Ende hat man zumindest ein gelungenes Konzert gehört. Wenn auch über Kopfhörer.

Service

Die Konzert-Installation "Agora" von Schorsch Kamerun ist am 24. Und 25. Mai in der Wiener Secession zu sehen.

Wiener Festwochen - Agora I