Bibelkommentar zu Johannes 16, 12 - 15
GOTT IST EIN GEHEIMNIS! - dies sollte der erste und letzte Satz aller Theologie, also allen Redens von Gott und über Gott sein. Was kann der Mensch, was kann ich als Priester, als Mönch und Glaubender über Gott sagen?
3. Juni 2013, 12:58
Auch der heutige DREIFALTIGKEITSSONNTAG macht es mir nicht leicht, über Gott zu reden, ich habe Angst, das Unsagbare, den Unsagbaren zu zerreden. Eigentlich ist es sogar so: je länger ich diesen Glauben an Gott lebe und praktiziere, umso schwieriger wird es, an Gott zu glauben. Schon der Gottsucher vor tausenden Jahren sagt im Psalm 97: „Rings um ihn her sind Wolken und Dunkel.“ Glaube und Atheismus sind zwei Sichtweisen eben dieser Tatsache, der Verborgenheit Gottes, der Transzendenz, der Undurchdringlichkeit seines Geheimnisses. Sie stellen zwei mögliche Deutungen ein und derselben Wirklichkeit dar, bloß von der jeweils anderen Seite her betrachtet.
Der hl. Thomas von Aquin gibt zu: Mit dem Verstand können wir zwar zur Überzeugung gelangen, dass Gott existiert, aber wir müssen gleich hinzufügen, dass wir nicht wissen, WER Gott ist und WIE er ist, und was das Verb SEIN überhaupt bedeutet, wenn es auf Gott bezogen wird.
Ich meine: Gott darf nicht nur den „religiös Sicheren“ überlassen werden. Niemand hat das alleinige Anrecht auf Gott. MEIN Gott ist zugleich der Gott der ANDEREN - sowohl der Suchenden wie auch jener, die zweifeln und derer, die ihn nicht kennen. Ja, Gott ist VORRANGIG ein Gott der Suchenden. Gott ist STETS EIN GRÖSSERER GOTT. Gott bleibt ein Geheimnis - deshalb sind die Versuche, ihn „in die eigene Regie zu nehmen“, lächerlich und blasphemisch. Ich bin überzeugt: Gott ist verborgen und er gibt sich zugleich zu erkennen, er selbst sucht jene, die ihn suchen.
Vielleicht ist Gott gerade deshalb so UNBEKANNT, weil er so NAHE ist. Wir sehen auch das Licht selbst nicht, wir sehen nur die Dinge im Licht. Ich sehe mein eigenes Antlitz nicht - nur das Abbild im Spiegel. Auch das Antlitz Gottes, Gottes Wirklichkeit kann ich nur im Spiegel der Heils- und Erlösungsgeschichte sehen, die Gott in diese Welt durch den menschgewordenen Jesus Christus einschreibt. Nicht aus eigener Kraft, nicht mit meinem begrenzten Verstand kann ich diese Geschichte Gottes mit uns Menschen erkennen und erfassen, sondern nur dann, wenn Gottes Geist mich bereit und fähig macht, wenn er die Augen meines Intellekts und die Augen meines Herzens öffnet.
In diesem Zusammenhang begeistern mich immer mehr zwei biblische Begebenheiten, die auch zu meinen Lebenswirklichkeiten geworden sind.
Der JAKOBSKAMPF im ersten Testament: Jemand, ein Unbekannter überfällt den biblischen Jakob in seiner Einsamkeit und ringt mit ihm. Gemeint ist wohl ein Ringen mit Gott und Jakob gibt nicht auf. Er hängt sich an Gott und hält ihn fest. Er wird von ihm geschlagen und gesegnet zugleich. Jakob hat Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen und er ist am Leben geblieben. Er ist ein Geschlagener, aber ein von Gott geschlagener. Das heißt: Kein Mensch geht aus dem Kampf mit Gott ohne Wunden und Narben hervor, jeder trägt sein „Trauma“, sein „Gottestrauma“ davon.
Die zweite biblische Begebenheit ist die PREDIGT DES APOSTEL PAULUS AUF DEM AREOPAG IN ATHEN. Paulus lobt die Athener für ihren unkomplizierten Umgang mit den Göttern, hält ihnen aber zugleich den EINEN „unbekannten Gott“ gegenüber: „Was ihr verehrt, ohne es zu kennen, das verkünde ich euch!“ Dieser Gott ist nicht einer von den vielen Göttern - dieser unbekannte Gott, so meint Paulus, „ist keinem von uns fern, denn in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir.“
Der glaubende Mensch ahnt und vertraut, dass Gott sich auch heute offenbart, dass Gott sein Wort nicht zurücknimmt, dass Gott auch in meinem Leben wirklich ist. Aber nur Gottes Geist kann diese Wirklichkeit Gottes im Leben des Menschen erfahrbar machen.