Gelatin im 21er-Haus

Wie die Künstlergruppe Gelatin arbeitet, ist bis Sonntag im 21er-Haus in Wien zu beobachten. Dort hat die international sehr erfolgreiche Boygroup vorübergehend ihr Atelier eingerichtet.

2003 verursachten Gelatin einen Skandal bei den Salzburger Festspielen, als sie eine Plastilinskulptur, die sich selbst in den Mund pinkelte, als zeitgemäße Form einer barocken Brunnenskulptur auf einem Platz in Salzburg aufstellten.

Mittagsjournal, 4.6.2013

Ein Styroporblock ragt bis zur Decke, in schwindelnder Höhe stehen einige Mitglieder der Künstlergruppe und erklären, mit welchen Werkzeugen sie dem Block zu Leibe rücken werden. Die Mitglieder von Gelatin reden gerne durcheinander und versuchen, die Menschheit durch höheren Blödsinn zu läutern. Von oben nach unten werden sie Formen in den Block graben, deren Abgüsse später die Skulpturen ergeben. Die Skulptur entsteht also durch wegnehmen und nicht durch hinzufügen, wie etwa beim Töpfern.

Florian Reither, Wolfgang Gantner, Tobias Urban und Ali Janka lernten sich 1978 in einem Sommercamp kennen. Später trafen sie sich wieder, um mit ihren Arbeiten Gefühle und Erlebnisse aus der Kindheit wiederzubeleben. Auch verdrängte Bedürfnisse - wie das Spiel mit Exkrementen - werden ausgegraben. Das und ihr Exhibitionismus brachte ihnen den Ruf ein, Nachfolger der Wiener Aktionisten zu sein. Die äußerst bubenhaft gebliebenen Männer in den Vierzigern beteuern aber, mehr hätten sie von der Popindustrie gelernt: nämlich wie man Aufmerksamkeit erlangt.

Eine Art visuelles Showbusiness war es also, als sie 2005 einen 65 Meter langen pinkfarbenen, von vielen Großmüttern gestrickten Wollhasen im Piemont auf einen Berggipfel legten, um ihn dort verwesen zu lassen und damit in der ersten Woche 1 Million Zugriffe verzeichneten. Aufsehenerregend war es auch, als sie in einer Mailänder Galerie eine funktionierende Achterbahn aufstellten, die Arbeit trug den Titel "Otto Volante". Oder als sie 1998 in New York im P.S.1 Contemporary Art Center einen hohen Turm aus alten Möbeln bauten, in dessen Inneren es verschiedene Räume gab: einen Kälteraum, einen Nacktraum und einen Ankleideraum.

Allzu verklemmt sollte man also nicht sein, wenn man sich in das Gelatin-Universum begibt. Idealerweise kennt man Schamgefühle nur vom Hörensagen und ist frei von Berührungsängsten. Diesmal werden bei der Boygroup auch einige Frauen mit von der Partie sein. Und einige Musiker, die die Grabungsarbeiten musikalisch begleiten.