Geistliche Freuden von Bernstein, Kodaly, Janacek

Mystik und Jubel

1965 war Leonard Bernstein ein weltberühmt Komponist, der auch jüdische bzw. chassidische Werke vorgelegt hatte.

Es erscheint daher zunächst ein wenig erstaunlich, dass er den Auftrag von anglikanischer Seite annahm, geistliche Musik für Chor und Orgel zu schreiben. Die Auswahl einiger Psalmen des Alten Testamentes allerdings ermöglichte eine gewissermassen konfessionell übergreifende Musik.

Das Ergebnis jedenfalls, die Chichester Psalms, ist ein faszinierendes, eingängiges, aber nie banales, sondern immer ausdruckstarkes Werk, in dem auch Bezüge zur „West Side Story“ spürbar sind, etwa in den federleichten 7er und 5er-Rhythmen.

Ebenfalls von hoher Expressivität, jedoch über weite Strecken viel verinnerlichter, ist Zoltan Kodalys Missa Brevis, die den Schrecken der 1940er Jahre wiederzuspiegeln scheint. Im Untertitel bezog sich Kodaly übrigens bewusst auf J.Haydns Nelson-Messe, wenn er – wie Haydn, die Worte „In tempore belli“ wählte. Beide Werke, ebenso wie Janaceks „Vater Unser“ verlangen eine Ausdrucks-Skala zwischen purer Mystik und exaltiertem Jubel.

Strahlend glänzen dazu die machtvollen Stimmen des Prager Philharmonischen Chores (dessen Geschichte zunächst eng mit dem Tschoslowakischen Rundfunks verbunden ist, und der seit dem Fall des eisernen Vorhangs als selbständiges Ensemble weiterhin reüssiert.)

Die ganze Sache ist reiner Genuss, sieht man von der Tatsache ab, dass – ohnehin kein Einzelfall – die Schriftgrösse im CD-Heft auch für gesunde Augen einer Lupe bedarf.

Bernstein/Kodaly/Janacek. Prager Philharmonischer Chor; Dirigent Lukas Vasilek. RADIOSERVIS.

Albert Hosp am 7.6.2013