Ein Versprechen von Gegenwart

Clemens Berger hat’s gern prickelnd, das fällt langsam auf. Ließ er 2010 – in seinem Roman "Das Streichelinstitut" – einen sanftfingrigen Jungphilosophen zum Meister tantrischer Vaginal-Massage avancieren, spielt Bergers jüngster Roman, eine Erzählung eigentlich, deutlich ins Voyeuristische hinüber.

Im Brennpunkt des Geschehens steht ein Repräsentant der bedienenden Zunft, ein Kellner. Valentin, so heißt der Mann, serviert in einem "gehobenen Lokal zurückgenommener Eleganz", wie es im Text heißt, und dabei wird Valentin immer wieder zum Zeugen amouröser Interaktionen.

Vorsicht, Kellner hört mit. Das gilt auch für ein Paar, das die Aufmerksamkeit des achtsamen Garcons von seinem ersten Restaurantbesuch an auf sich zieht. Ein glamouröses, ein spektakuläres Paar, wie Clemens Bergers Ich-Erzähler konstatiert. Vor allem der weibliche Part, eine rattenscharfe Femme fatale mit russischem Zungenschlag, hat es dem Ober angetan.

Die Schöne und der Beau besuchen das Restaurant in der Regel kurz nach Mitternacht, nachdem sie sich, so phantasiert zumindest der Ober, in der Wohnung des Mannes, eines Schauspielers, in einzigartigen Exzessen miteinander vergnügt haben. Im Restaurant essen die Liebessatten dann Filetspitzen, medium rare, und trinken Bier (er) und Bitter Lemon oder Cola light (sie).

Immer wollüstiger phantasiert sich Ober Valentin in die Beziehung der beiden hinein, er bringt seine Tagträume auf den unbeschriebenen Seiten eines Kassabuchs zu Papier, und auch als Bergers Leserschaft in längeren Kursivpassagen die sexuellen Bekenntnisse des Schauspielers liest, kann man nicht sicher sein, ob es sich nicht nur um Notate des Kellners handelt, die dieser dem Schauspieler lediglich in den Mund legt.

Auf jeden Fall liest sich Clemens Bergers Erzählung wie eine ins Poetische hinübertranszendierte Männerphantasie. In diesem Text ist alles Klischee, von den Figuren über die Tableaus bis hin zu den erschöpfenden Beschreibungen sexueller Aktivitäten. "Ein Versprechen von Gegenwart": letztlich auch nur ein Softporno für den erotisch bedürftigen Herrn.

Vermutlich hat Clemens Berger eine graziöse erotische Erzählung schreibt wollen. Das misslingt. Zwar hat sich der Autor bemüht, den Text mit ein paar kraftlos eingestreuten Andeutungen zu verrätseln und ihm dadurch die Weihen gehobener Prosakunst zu verleihen, das rettet diese klischeeüberfrachtete Novelle aber auch nicht mehr, auch wenn der 34jährige Autor sein beachtliches Talent da und dort durchaus aufblitzen lässt.

Was Clemens Berger als Softporno für den literarischen Connaisseur konzipiert hat, als Mischung aus "Emmanuelle" und, sagen wir, Cortázar oder Tabucchi, kommt letztlich doch nur anzüglich und unangenehm "saftlert" daher.

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Clemens Berger, "Ein Versprechen von Gegenwart", Luchterhand-Verlag, München