Roman aus Ägypten

Arche Noah

Schon einmal hat der ägyptische Schriftsteller Chaled al- Chamissi in einem Buch den Seelenzustand seiner Landsleute eingefangen. Unter dem Titel "Im Taxi. Unterwegs in Kairo" wurden von ihm dokumentierte Gespräche zu einem Bestseller. Nun ist im Schweizer Lenos Verlag ein neues Buch von Chaled al- Chamissi auf Deutsch erschienen. Es heißt "Arche Noah" und handelt vorwiegend von Leuten, die Ägypten unter dem Zwang trister Verhältnisse verlassen wollen.

Morgenjournal, 19.6.2013

Der ägyptische Autor Chaled al- Chamissi im Gespräch mit Deutschland-Korrespondenten

Es sind Porträts von vorwiegend jungen Menschen aus Ägypten, aus denen Chalid- al- Chamissi sein Buch "Arche Noah" formt. Und tatsächlich benennt schon der Titel das Programm, dem die Protagonisten seiner Geschichten folgen. Sie suchen nach der Arche, nach einem Ausweg aus ihrer hoffnungslosen Situation, und das heißt in den meisten Fällen, sie suchen nach einer Möglichkeit, Ägypten zu verlassen.

Für Chaled al- Chamissi ist der Sintflut- Mythos prägend für Menschen seiner Generation: "Die ägyptische Gesellschaft lebt in einer Krise, lebt in einer Situation der Sintflut, die an unsere Mauern schlägt. Es gibt ein Chaos in unseren Gehirnen, unseren Köpfen, und genau das ist es, was diese Sintflut mit uns anstellt. Man verliert den Richtungssinn, und auch die Personen in meinem Buch haben den Richtungssinn verloren und haben ein Chaos in ihrem Kopf."

Chaled al-Chamissi erzählt Geschichten wie die von Achmed, der gerne Staatsanwalt werden möchte, aber die 70.000 Pfund Bestechungsgeld nicht aufbringen kann, die dafür nötig wären. Auch sein nächster Versuch, über das Internet Verbindung zu alleinstehenden Frauen aus dem Westen aufzunehmen, bleibt erfolglos. Weg zu kommen aus Ägypten ist alles, so lässt al- Chamissi die Figur des Achmed in diesem inneren Monolog sinnieren.

Al- Chamissi hat das Buch noch vor der Revolution des Jahres 2011 geschrieben, aber an den Perspektiven hätte sich nichts geändert, meint er, und an der politischen Landschaft auch nicht all zu viel: "Das konservative System, das die Macht in den Händen hält, ist das gleiche geblieben, nur die Gesichter haben sich geändert. Ja, Mubarak ist weg, aber er und sein Nachfolger sind beide im konservativen Lager. Sie wollen keine Veränderungen, auch die Korruption ist die gleiche geblieben. Aber die revolutionäre Bewegung der Leute, die Veränderungen wollen, ist auch noch da und entwickelt sich von Tag zu Tag weiter."

Das Weiterleben der revolutionären Bewegung ist es auch, was den Autor Chaled al- Chamissi trotz allem optimistisch bleiben lässt: "Es gibt echte Energie in der ägyptischen Gesellschaft, und ich glaube, dass aus dieser Energie und aus diesem revolutionären Prozess sehr bald eine politische Kraft hervorgehen wird, die auf einen echten Wandel hinarbeiten wird."

Das kann allerdings noch dauern, und so dürften al- Chamissis Portraits der Enttäuschten noch längere Zeit ihre Gültigkeit behaupten können.

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Chaled al- Chamissi, "Arche Noah: Roman aus Ägypten", Lenos