Türken in Österreich: Begehrte Wählerschaft

Mehr als 8.000 Menschen haben am Wochenende in Wien nach Polizeiangaben wieder für den Kurs des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan demonstriert. Die innenpolitische Debatte geht heute weiter. Den Grund zeigt ein Blick auf das Wahlverhalten türkischstämmiger Österreicher: Sie tendieren zu Rot und Grün.

Eine Solidaritätskundgebung für den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan

(c) PUNZ, APA

Mittagsjournal, 24.6.2013

Türken wählen Rot-grün

Konkrete Zahlen gibt es nur sehr wenige, aber der Trend beim Wahlverhalten türkischstämmiger Österreicher ist klar. Integrationsexperte Kenan Güngör weiß, dass ein Großteil dieser Menschen "ländlich geprägt ist und wertkonservativ" sind. Doch entgegen dieser bevorzugten Werte wählten sie nicht konservativ, sondern tendenziell eher linke oder liberale Parteien wie Sozialdemokraten oder Grüne, so Güngör.

Studien aus Deutschland untermauern das. Das Zentrum für Türkeistudien an der Universität Duisburg-Essen erhebt regelmäßig das Wahlverhalten der türkischstämmigen Deutschen in Nordrhein-Westfalen, und kam zuletzt im Oktober 2011 auf bemerkenswerte Zahlen: Die Umfrage ergab, dass 54 Prozent der Deutsch-Türken die SPD und 28 Prozent die Grünen wählen wollten, aber nur 4 Prozent die CDU und gar nur ein Prozent die FDP. Für Kenan Güngör ist das auf ÖVP und FPÖ umlegbar. Beide seien für traditionsbewusste Türken, auch wenn sie längst eingebürgert sind, einfach zu weit vom Islam entfernt - die ÖVP mit ihren christlichen Wurzeln, die FPÖ mit ihrem wahlstrategisch kalkulierten Anti-Islam-Reflex.

Das mache es für SPÖ und Grüne - siehe die Diskussion über Efgani Dönmez und Peter Pilz- nicht immer leicht, sagt Güngör: Denn diese Parteien kämen dadurch oft selber in einen Widerspruch, weil sie damit Unterstützer von wertkonservativen Einstellungen würden.

FPÖ reagiert

Bei der Gemeinderatswahl in Wien 2010 war die SPÖ bei den Wählern mit Migrationshintergrund um zehn Prozentpunkte stärker als beim Wahlergebnis und lag bei 55 Prozent, während die FPÖ um zehn Prozentpunkte schlechter war und bei den Zugewanderten nur auf 16 statt 26 Prozent kam. Kein Wunder, dass heute FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache via Facebook zur Abschiebung der Erdogan-Anhänger aufruft. Die Erdogan-Fans sollten rasch in die Türkei heim und zurück kehren und sich vor Ort in der Türkei einbringen!, so Strache: "Was machen die eigentlich da, wenn es ihnen in der Türkei so gut gefällt", postet Strache auf seiner Facebook-Seite. Die ÖVP kritisiert ihn dafür, sie muss auch auf die Nähe der Erdogan-Partei AKP zur Europäischen Volkspartei Rücksicht nehmen.

ÖVP auch

Für den Integrationsexperten Kenan Güngör könnte die ÖVP auf Sicht bei den Türkischstämmigen besser aussteigen, wenn sie sich besser positioniert. Einen Anfang hat ÖVP-Chef Spindelegger schon gemacht: mit dem jungen Moslem Asdin el Abbassi an wählbarer Stelle auf der Bundesliste für die Nationalratswahl.