Liebe in Zeiten der Cola
Der deutsche TV-Journalist Peter Theisen beschließt, eine Weltreise zu machen, um dem Phänomen Liebe auf die Spur zu gehen. Ein halbes Jahr lang besucht er zahlreiche Länder der Erde und erforscht dabei Flirtverhalten, Geschlechterverhältnisse und Hochzeitsrituale in verschiedenen Kulturen.
8. April 2017, 21:58
Aus Anja wird Cola
"Liebe Anja", wollte Peter Theisen schreiben. Doch die automatische Eingabehilfe seines Handys machte daraus "liebe Cola". Und aus der Romanze mit der jungen Dame wurde nichts. Schon wieder nicht. Leidet er an einer frühkindlichen Störung? Hat ihm die Mutter Brei oder gar Brust verweigert? Ist er Sklave seines männlichen Erbmaterials?
Solche Fragen stellt sich der Journalist Peter Theisen, bevor er auszieht, um zu erkunden, wie es junge Männer in der Südsee anstellen, Frauen kennenzulernen. Und was er sich vom Latin Lover in Kolumbien abschauen könnte.
"Das ist schon so, dass man in vielen Teilen der Welt nicht so verkrampft an die Sachen herangeht, wie bei uns in Deutschland", sagt Peter Theisen. "Dieses Unter-sich-gucken und in der U-Bahn - da kriegt man kaum Blickkontakt mit den Leuten. Da ist man auch recht erstaunt, wenn man zurückkommt nach Deutschland, wenn man diese vielen Gesichter sieht in der S-Bahn, die keine Kontaktaufnahme ermöglichen. Das ist halt in vielen anderen Ländern der Welt ganz anders."
Faux-pas zur Hochzeit
"Liebe in Zeiten der Cola" ist ein persönliches Reisetagebuch. Peter Theisen erzählt, wie er – trotz mangelnder Tanzkenntnisse - vergeblich versucht, die Damenwelt in einem kolumbianischen Salsa-Klub zu beeindrucken. Er berichtet von Trinkgelagen in Sansibar und wie er und seine Dolmetscherin sich in einer georgischen Klinik als Pärchen ausgeben, um herauszufinden, was die Wiederherstellung eines Jungfernhäutchens kosten würde.
Peter Theisen ist studierter Ethnologe und weit gereist. Und doch bewahrt ihn das nicht vor interkulturellen Fettnäpfchen. Zum Beispiel auf einer Hochzeit in Sumatra:
"Als ich dem Brautpaar gratuliert habe, bin ich hochgestiegen, hab mich nett mit ihnen unterhalten, ging dann wieder die Treppe hinunter und merkte: der ganze Raum wurde still und man hat mich böse angeschaut. Meine Dolmetscherin erklärte mir: Du hast dem Brautpaar den Krieg erklärt, du hättest auf der einen Seite hochgehen müssen, am Brautpaar vorbei, und auf der anderen Seite wieder runtergehen. Weil du die Treppe auf der anderen Seite runtergegangen bist, hast du alle guten Wünsche wieder zurückgenommen. Das war wie eine Kriegserklärung."
Brautraub in Georgien
In manchen Teilen der Welt sind Tradition und Religion sogar auf dem Vormarsch, meint Peter Theisen. In Georgien zum Beispiel würden junge Menschen heute die Vorschriften der orthodoxen Kirche zum Thema Sexualmoral stärker beachten, als das ihre Vorfahren während der Sowjetzeit getan haben. Und diese Vorschriften sind hart: "200 Tage ohne Sex ist dort zum Beispiel so eine Regel. Alle Fastenzeiten - jeden Mittwoch und Freitag darf man dort keinen Sex haben. Daran hält sich nicht jeder, aber doch auch viele junge Menschen."
In Georgien stößt der Journalist auch noch auf wesentlich verstörendere Traditionen: In abgelegenen Bergdörfern des Kaukasus begegnet er Frauen, die Opfer von Brautraub geworden sind. "Das heißt, junge Frauen werden dort vom Feld, der Straße, dem Schulhof entführt, in die Berge gebracht und vergewaltigt. Sie sind danach das Eigentum oder müssen die Ehefrau des Brauträubers werden, denn die Ehre ist weg, die Unschuld verloren. Sie müssen den heiraten. Inzwischen gibt es Sanktionen. Die Polizei geht ab und zu dagegen vor. In der älteren Generation war fast jede zweite Frau Opfer von Brautraub. Vor 40, 50, 60 Jahren war das fast Normalität, dass Mädels geraubt wurden. Ich finde das unglaublich, dass es das heute noch gibt."
Globalisierung in Sachen Liebe
Tradition und Moderne treffen in der globalisierten Welt zunehmend aufeinander. Neue Medien verändern die Art und Weise, wie sich Menschen kennen- und lieben lernen. Internet-Single-Börsen und Online-Dating findet man mittlerweile auch in den abgelegensten Teilen der Welt, berichtet Peter Theisen:
"Ich war auf einer kleinen Südseeinsel und selbst dort haben samoanische junge Männer von russischen Frauen geschwärmt, die sie im Internet kennengelernt haben. Es gibt diese Tendenz der Globalisierung. Die hat auch positive Effekte: wenn z. B. in Kolumbien Frauen, die sich von Machos unterdrück fühlen, neue Möglichkeiten haben, indem sie Kontakt aufnehmen zu westlichen Männern oder anderen Männern, die ihnen mehr bieten können als der einheimische Macho." Denn gerade dieser - der Macho - befindet sich, global gesehen, am absteigenden Ast, ist Peter Theisen überzeugt.
Brave deutsche Männer bevorzugt
Geschlechterverhältnisse sind weltweit im Umbruch - selbst in traditionell patriarchalen Gesellschaften. Und auch wenn Europäerinnen manchmal vom leidenschaftlichen Latin Lover träumen, wünschen sich viele Kolumbianerinnen heute lieber einen braven Deutschen, erzählt Theisen.
"Als Deutscher hat man im Vergleich zu Franzosen oder Spaniern gute Chancen bei den Frauen, weil wir - ob zu Recht oder nicht - den Ruf haben, sehr zuverlässig zu sein und nicht fremd zu gehen. viele Frauen, sogar in Kenia, haben gehört - das lesen sie auch übers Internet - dass deutsche Männer sogar bereit sind, Kinderwagen zu schieben und Windeln zu wechseln. Das ist geradezu revolutionär, sowas kennen die überhaupt nicht von ihren Männern."
Viel hat er in Erfahrung gebracht über Liebes- und Heiratsrituale in aller Welt. Doch was sein eigenes Liebesglück anbelangt - da ist für Autor Peter Theisen der erhoffte Erfolg noch ausgeblieben: "Ich bin jetzt nach Deutschland zurückgekommen und nach wie vor Single. Ich weiß jetzt ein bisschen mehr über die Liebe, aber es scheint, als hätte ich den richtigen Schlüssel immer noch nicht gefunden. Und ich werde weiter suchen. wahrscheinlich genügt ein Menschenleben auch gar nicht, um alles über die Liebe herauszufinden, was man so wissen müsste."
Service
Peter Theisen, "Liebe in Zeiten der Cola. Von Brautraub bis Online-Dating. Eine Weltreise zu den verrücktesten Liebesritualen", Ullstein Extra