Luftverschmutzung: Nordchinesen sterben früher
Die verheerende Luftverschmutzung in China kann die Lebenserwartung um mehr als fünf Jahre verkürzen. Zu diesem Schluss kommt eine großangelegte Studie, die chinesische und amerikanische Wissenschaftler in Peking vorgestellt haben. Demnach leben Chinesen in den Regionen im Norden des Landes, wo wesentlich mehr Kohle verfeuert wird, um fünfeinhalb Jahre kürzer als im Süden Chinas.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 9.7.2013
Todesursache Feinstaub
Was die Studienautoren aus den USA und China nach Auswertung riesiger Datenmengen veröffentlicht haben, sorgt für Aufsehen. In den 90er-Jahren sind die Bewohner im Norden Chinas demnach im Durchschnitt um fünfeinhalb Jahre früher gestorben als ihre Mitbürger im Süden des Landes. Der Grund: eine wesentlich höhere Rate an tödlichen Herz-Lungen-Erkrankungen, deren einzige plausible Erklärung die enorme Luftverschmutzung mit Feinstaubpartikeln ist.
Die Autoren der Studie haben Sterberaten zwischen 1990 und dem Jahr 2000 analysiert. Zu diesem Zeitpunkt hatte Chinas Regierung den Bewohnern Nordchinas noch gratis Kohle zum Heizen im Winter zu Verfügung gestellt. Im wärmeren Süden des Landes gab es diese Politik nicht. Die Feinstaubbelastung war dort dementsprechend geringer, die Lebenserwartung höher. Zwar hat die Regierung diese Politik mittlerweile beendet, doch wird im Norden Chinas, wo rund 500 Millionen Menschen leben, weiterhin wesentlich mehr Kohle verfeuert. Und so ist die Luftverschmutzung in Städten wie Peking oder Tianjin auch weiterhin deutlich höher als in den Metropolen des Südens.
Die neuen Erkenntnisse nähren jedenfalls öffentliche Forderungen nach umfassenden Umweltschutzmaßnahmen. "Natürlich bin ich besorgt. Die Umweltbelastung hier im Norden wird immer schlimmer. Wir müssen die Umwelt endlich aktiv schützen und die Fabriken strikter überwachen", erzählt ein Mann. "Die Dörfer mit hoher Lebenserwartung liegen wirklich im Süden des Landes. Das ist bekannt. Bei uns hier im Norden ist die Umweltverschmutzung wegen der Schwerindustrie längst unerträglich", meint eine Frau.
Rasche Besserung nicht zu erwarten
In Peking werden immer wieder Feinstaubwerte gemessen, die den von der Weltgesundheitsorganisation festgelegten Grenzwert um das 20-bis 30-Fache übersteigen. Und so erinnern die Metropolen im verschmutzen Norden des Landes immer mehr an einen gigantischen Laborversuch, der austestet, wie viel an Umweltgiften der menschliche Körper ertragen kann. Chinas Medien und Politiker reden mittlerweile sehr offen über das dramatische Umweltproblem. Das ineffiziente und umweltschädigende Wachstumsmodell könne nicht fortgesetzt werden, sagt Premierminister Li Keqiang. Gleichzeitig dämpfen Chinas Führer aber auch die Erwartungen der Bürger: Eine rasche Lösung des Smog-Problems sei nicht möglich sagen sie. Dafür müsste China nämlich auch seine gesamte Energiepolitik auf den Kopf stellen. Und das erscheint unrealistisch, werden doch ganze 70 Prozent des rasant steigenden Energiebedarfs des Landes mit schmutziger Kohle gedeckt.