Roman von Norbert Gstrein

Eine Ahnung von Anfang

Der Tiroler Norbert Gstrein war im August beim Lesefestival O-Töne im Wiener Museumsquartier zu Gast. Gelesen hat er aus seinem gerade erschienenen Roman "Eine Ahnung vom Anfang". Beschrieben wird darin das rätselhafte Naheverhältnis zwischen einem Lehrer und seinem einzelgängerischen Schüler, der bald darauf untertaucht und als Bombenleger von der Polizei gesucht wird.

Morgenjournal, 9.8.2013

Am Beginn von Norbert Gstreins Roman "Eine Ahnung vom Anfang" steht ein idyllisches Bild. Da verbringt ein Lehrer mit zwei seiner Maturanten unbeschwerte Sommertage in einer alten Mühle an einem Fluss. Doch langsam wächst das Unbehagen, denn Daniel, einer der beiden jungen Männer, scheint immer mehr von radikalen Ideen beeinflusst. Eine Weltfremdheit ist da zu spüren, mehr noch ein Weltekel, angefacht von einem fatalen christlichen Fundamentalismus. Erzählt hat Norbert Gstrein die Geschichte dieses Abdriftens in die Radikalität aus der Perspektive des Lehrers.

Der Lehrer scheint nicht ganz unschuldig an der gefährlichen Entwicklung seines Schülers zu sein. "Du hältst ihn dir als dein Geschöpf", wirft ihm seine Freundin dann auch einmal vor und tatsächlich haben die Bücher, die der Lehrer Daniel zu lesen gibt, das Potenzial, einen labilen jungen Menschen zum gewalttätigen Systemkritiker werden zu lassen. Eine Ablehnung des Zeitgeists trägt auch der Lehrer selbst in seinem Unterricht unverhohlen zur Schau.

Von der Radikalisierung junger Menschen war in den letzten Jahren vor allem in Zusammenhang mit der RAF die Rede. Weder die Biografie Gudrun Ensslins noch die Andreas Baaders aber haben Norbert Gstrein beim Schreiben beeinflusst, sondern die Geschichte des amerikanischen UNA-Bombers.

Nach Romanen, die am Balkan und in der intrigenreichen deutschen Verlagslandschaft gespielt haben, kehrt Norbert Gstrein mit seinem neuen Roman "Eine Ahnung vom Anfang" in seine Heimat zurück. Schauplatz ist eine namenlos bleibende Tiroler Stadt, die aber aufgeladen ist von Erinnerungen an ferne Weltgegenden.

So wie der Fluss im Roman wild durch die Tiroler Landschaft mäandert, genauso wild windet sich auch Gstreins Erzählstrom zwischen Erinnerung und Gegenwart und zwischen Vorstellung und Wirklichkeit hin und her. Das lineare Erzählen ist seine Sache nicht. Lange Sätze, die aber - und darin besteht Gstreins große Kunst - eine ungeheure Sogwirkung und Musikalität entwickeln. Und weil sie dabei auch auf unheimliche Weise Spannung erzeugen, ist Norbert Gstrein mit "Eine Ahnung vom Anfang" ein Psychothriller auf höchstem literarischen Niveau gelungen.