Porträt Eduard Pötzl

Ein in Vergessenheit geratener Wiener Feuilletonist war Eduard Pötzl, er war um 1900 unangefochten der Liebling der zeitungslesenden Massen. Er war Starfeuilletonist der auflagenstärksten Tageszeitung der k. und k. Monarchie und sein Name war regelmäßig auf Seite 1 seines Stammblatts zu finden.

Er galt als Marke und der Verkaufserfolg seiner Zeitung wurde nicht zuletzt auf seine Kolumne zurückgeführt. Eduard Pötzl hat sich dabei auch als Wortschöpfer betätigt und einige seiner Neologismen haben bis heute in der Umgangssprache überlebt.

Kulturjournal, 14.08.2013

Wien um 1900 befand sich in einem radikalen Wandel. Und Eduard Pötzl sah es als seine Aufgabe, die Veränderungen im Stadtbild und in der Gesellschaft zu dokumentieren. Die Redaktion seiner Stammzeitung, dem "Neuen Wiener Tagblatt", befand sich im Steyrerhof gleich hinter dem Schwedenplatz, dort war Pötzl aber nur selten zu finden.

Der Stadthistoriker Peter Payer hat unter dem Titel "Großstadtbilder" ein Best-of von Pötzls Feuilletons herausgebracht mit einer ausführlichen Biografie des rasenden Großstadtreporters. Gerade für den Historiker sind Pötzls Texte eine Fundgrube, weil er den Alltag ganz genau dokumentiert und seine Beobachtungen mit viel Humor angereichert hat. Mit seinem Hang zu Milieuschilderungen war Pötzl ein glühender Verehrer von Charles Dickens, dessen Büste er auch in seiner Wohnung stehen hatte.

In seiner Blütezeit erreichte das "Neue Wiener Tagblatt" eine Auflage von mehr als 100.000 Exemplaren und an den Wochenenden war die Zeitung 150 Seiten stark. Im Gegensatz zur großbürgerlich-intellektuellen "Neuen Freien Presse" war das Tagblatt allerdings die Zeitung des konservativen Kleinbürgers. Und das brachte Pötzl auch eine lange Fehde mit Wiens spitzester Feder ein, Karl Kraus.

Mit den großen jüdischen Feuilletonisten - neben Karl Kraus sind hier später noch Namen wie Anton Kuh oder Alfred Polgar hinzugekommen - konnte Eduard Pötzl in Sachen sprachlicher Pointiertheit und Intellektualität nicht mithalten. Seine Stärke waren der bodenständige Humor und das Lokalkolorit, das durch alle seine Texte durchschimmert. Immer wieder tauchen da in seinen Reportagen Dialogpassagen im breitesten Wienerisch auf.

Es gibt eine Karikatur von Eduard Pötzl, die ihn in karierter Hose zeigt, mit Gehstock und Zylinder und einer lässig im Mundwinkel gehaltenen Zigarette und auf der er hämisch als "Stammvater aller Gigerl" bezeichnet wird. Das konnte dem Feuilletonisten eben auch passieren: dass der Spiegel, den er der Gesellschaft vorhielt, auch gegen ihn selbst gewendet wurde.

Das Buch "Großstadtbilder" mit den besten Reportagen und Feuilletons von Eduard Pötzl, herausgegeben und kommentiert von Peter Payer, ist im Löcker-Verlag erschienen.