Fünf Jahre Koalition: Gemischte Bilanz

Rund ein Monat vor der Nationalratswahl ist nicht nur der Wahlkampf bereits voll im Gang – es gilt auch Bilanz zu ziehen über die letzten fünf Jahre Koalition zwischen SPÖ und ÖVP. Während eine Reihe von Beobachtern nur mäßige Noten über diese Periode verteilt, fällt das Urteil des Politikwissenschaftlers Anton Pelinka weniger streng aus.

Mittagsjournal, 17.8.2013

Zeugnis: Genügend

Exakt 43 Tage sind es noch bis zum 29. September - dann wird ein neuer Nationalrat gewählt. Die rot-schwarze Bundesregierung ist - zumindest in dieser Formation - ab Ende September nur noch eine auf Abruf. Schon jetzt werden erste Bilanzen gezogen und sie erreichen nicht einmal das Prädikat solide. Betragensnote vielleicht ausgenommen. Viele der professionellen politischen Beobachter im Land tragen ins Jahreszeugnis der Koalition ein „Genügend“ ein. Sie kritisieren die Themensetzung, es fehle an Tempo, Temperament sowie Tiefgang, die großen und auch nahe liegenden Aufgaben wirklich anzupacken - kurzum, die Republik zukunftsfit zu machen. Weniger streng fällt die Wertung des Politikwissenschaftlers Anton Pelinka aus. Er kann der Passivität der Bundesregierung durchaus Positives abgewinnen.

Die Krise gut gemeistert

Trägheit hat offenbar gewisse Vorteile. Im Vergleich mit den anderen EU-Staaten ist die Arbeitslosigkeit in Österreich niedrig, die Wirtschaft wächst schneller, und die Staatsverschuldung ist nicht völlig ausgeufert. Für den Politikwissenschaftler Anton Pelinka ist das ein Hinweis darauf, dass die Bundesregierung nicht alles falsch gemacht haben kann: die Regierung habe insgesamt klug reagiert. Sie habe die österreichischen Muster der Sozialpartnerschaft und des Verhandelns angestrebt. Das sei ein Grund warum Österreich relativ unbeschädigt aus der Krise hervorgegangen sei.

Der Ausbruch der Krise und die Angelobung der Regierung Faymann-Spindelegger im Herbst 2008 fallen zufällig fast genau aufs selbe Datum. Genau 13 Tage vor der Nationalratswahl geht die amerikanische Bank Lehman Brothers pleite, es ist ein wirtschaftliches Erdbeben. Schon wenige Wochen später kippt die Konjunktur in Europa ins Minus, der Euro wird in den folgenden Jahren immer wieder totgesagt.

Für Pelinka war es richtig, dass die Regierung die Politik der Eurozone mit relativ ruhigem Optimismus mitgetragen habe. Damit habe Österreich einen Beitrag zur Rettung des Euro geleistet. Anton Pelinka meint, die Wirtschaftspolitik könne nur in geringem Umfang von Österreich gemacht werden. Jede Regierung sei gut beraten sich im Gleichklang mit den Partnern in der EU zu verhalten. Das habe diese Regierung grundsätzlich getan.

Stillstand in Bildungs- und Migrationspolitik

In der Wirtschaftspolitik habe sich eine gewisse Trägheit also ausgezahlt. In anderen Politikbereichen hätte die Bundesregierung aber viel dynamischer agieren müssen, räumt Pelinka ein. Hier habe die Regierung, zum Schaden des Landes, wenig vorangebracht: etwa in der Bildungspolitik, in der Migrationspolitik und auch das Bundesheer-Volksbegehren sei vertan worden, um über den Sinn der militärischen Landesverteidigung nachzudenken.

Klare Zeichen gegen Neonazis

Diesen schlechten Leistungen steht jedoch auch noch ein Erfolg gegenüber, so Pelinka. Ihn beeindruckt, dass die Bundesregierung offensiv mit dem Thema Nationalsozialismus umgegangen sei. Diese Regierung habe, anders als andere Regierungen in der Vergangenheit, klare Zeichen gesetzt. Etwa durch das geplante Deserteursdenkmal oder die Ablehnung der Gedenkfeiern auf dem Ulrichsberg in Kärnten. Mit einem würdigen Auftritt am 8. Mai habe die Regierung erstmals den Wiener Heldenplatz nicht jenen überlassen, die den Untergang des Nationalsozialismus als Tag der Trauer sehen.

Graue Bilanz

Insgesamt bewertet Pelinka die Arbeit der Bundesregierung nicht als durchwegs positiv oder negativ. Er zieht eine "graue" Bilanz: es seien Übergangtöne. Das drücke die Farbe Grau aus, sagt der renommierte Politikwissenschaftler Anton Pelinka. Er wird die Nationalratswahl für die Journale im Programm Österreich 1 regelmäßig kommentieren.