Neue Goethe-Biografie
Seine Biografien über Heidegger, Schopenhauer und Nietzsche sind in alle Weltsprachen übersetzt worden: Jetzt hat sich der deutsche Schriftsteller Rüdiger Safranski den Olympier aller Olympier als Objekt einer neuen Biografie vorgeknöpft: Johann Wolfgang Goethe.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 26.8.2013
Günter Kaindlstorfer und Imogena Doderer
Deutschlehrern und bildungsbeflissenen Repräsentanten des gehobenen Bürgertums gilt er bis heute als Titan klassischer Kultiviertheit: Johann Wolfgang Goethe, junger Wilder der 1770er Jahre, Geheimer Legationsrat und Minister im Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach, Italienfan, Universalgelehrter, Dichter, Naturforscher und - nicht zuletzt - notorischer Courmacher und Weiberheld. Für Rüdiger Safranski, der sich mit einer Reihe von als kanonisch geltenden Biografien einen Namen gemacht hat, war die Auseinandersetzung mit Goethe ein ganz besonderes Projekt: "Für mich selber war das eigentlich so eine Herausforderung, gewissermaßen den Mount Everest zu besteigen. Es hatte auch etwas Sportives."
Johann Wolfgang Goethe war nicht nur ein großer Schriftsteller, so lautet Safranskis These, er war auch ein "Meister des Lebens": "Goethe ist unter zwei Gesichtspunkten interessant: das Eine ist natürlich das Werk, das er hinterlassen hat. Es ist ein wunderbares Werk, das ist das Eine. Das Andere aber ist, dass Goethe irgendwann mal begriffen hat: literarische Werke zu schaffen, ist eines, noch eine viel größere Herausforderung ist aber, das Leben selbst zu einer Art Werk zu machen. Es so zu gestalten, dass man vielleicht gegen Ende sagen kann: Ich habe das Beste daraus gemacht", meint Safranski. Und das ist Goethe gelungen wie nur wenigen anderen.
Auf kenntnisreiche und unerhört fesselnde Weise zeichnet Rüdiger Safranski den wechselvollen Lebensweg des aus Frankfurt gebürtigen Götterlieblings nach, einem Apolliniker, dem auch die dunkleren Aspekte seiner Persönlichkeit auf schmerzhafte Weise bewusst waren.
Ausführlich beschäftigt sich Safranski in seinem Buch – um dieses Thema kommt ein Goethe-Biograf nicht herum – mit den zahllosen Amouren und Affären des Weimarer Olympiers: "Was für mich auffällig ist an seinen Frauengeschichten ist, dass er eine sehr pfiffige Weise hat, diese Verliebtheiten zu haben, aber vor Konsequenzen zurückzuscheuen", sagt Safranski. "Und immer in dem Moment, wo es möglicherweise ganz dicht werden könnte, da ist er dann ausgerissen." Außer bei Christiane Vulpius, der späteren Gattin – auf diese Frau hat der Enddreißiger Goethe sich in den späten 1780ern dann doch noch vorbehaltlos eingelassen.
Rüdiger Safranski hat eine profunde Biografie vorgelegt, wie von ihm nicht anders zu erwarten, ein akribisch recherchiertes und süffig zu lesendes Werk, das die Ergebnisse der jüngeren Goethe-Forschung reflektiert und unaufdringlich referiert. Ein Pflichtbuch für die Hausbibliothek des gebildeten Mitteleuropäers.