Zeitungen: Gratwanderung nach Kanzlerduell

Für die Medien sind Wahlkampfzeiten spannend, weil es in der Regel viel zu berichten gibt. Es ist aber auch eine Gratwanderung, schwieriger als im journalistischen Alltag. Nicht allen Medien gelingt es, ein sachliches und nüchternes Bild zu zeichnen. Gutes Beispiel: das sogenannte Kanzlerduell, das Montag Abend über die Bühne gegangen ist.

Mittagsjournal, 28.8.2013

Freundliches Duell

Der zur deutschen Prosieben-Sat1-Gruppe gehörende Sender Puls4 hat die Werbetrommel für sein Kanzlerduell schon seit Tagen gerührt. Im Schnitt 280.000 Zuschauer hat die Sendung dann gehabt, ein Rekord für den Privatsender. Was selbst ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz ein anerkennendes "Das ist schon was" entlockte. Die ORF-Wahlkonfrontationen - sie beginnen morgen Donnerstag - hatten zuletzt, also 2008, im Schnitt 900.000 Zuseher. Berichtet haben über die Sendung ohne Ausnahme alle österreichischen Tageszeitungen, wobei die Qualitätsblätter und die Bundesländerzeitungen zurückhaltend und sachlich blieben. Dass sich Kanzler und Vizekanzler in der Livesendung duzten, war das Highlight. "Zwei Gefährten suchten das Gerangel" titelte etwa der "Standard" und "Freundliches Duell um den Kanzler" war in der "Presse" zu lesen.

"Kurier" vergab Sternchen

Das Mediaprint-Blatt "Kurier" legte den Matchbericht wie eine Filmkritik an und vergab Sternchen in den Kategorien Themenführerschaft, Schlagfertigkeit und Glaubwürdigkeit. ÖVP-Obmann Spindelegger bekam durchwegs dreieinhalb Sterne, SPÖ-Chef Faymann zwei halbe Sterne mehr. Daher wohl der Vorteil für Faymann.

"Krone" sieht Faymann als Sieger

Das zweite Mediaprint-Blatt, die Kronenzeitung, positionierte sich in einem Kommentar von Peter Gnam noch deutlicher: "Die Faymann-SPÖ liegt vor der ÖVP und stellt wieder den Kanzler. Dass es anders läuft, ist unwahrscheinlich", orakelt Gnam. Und erklärt weiter unten gleich, warum nicht sein kann, was nicht sein darf: Es gebe keine Alternative zu Rot-Schwarz. "Außer man setzt auf politisches Abenteurertum, doch das kann ins Auge gehen".

Genaue Berechnung von "Heute"

Die Nummer zwei bei der Reichweite, das Gratisblatt "Heute", hat den Auftritt der beiden Politiker in vier Kategorien bewerten lassen: Fight, Fun, Style - also Kampfkraft, Spaßfaktor, Aussehen - und dann doch auch noch Inhalt. Gewonnen hat auf einer 10-teiligen Top- und Flop-Skala der ÖVP-Chef, mit exakt 6,75 Punkten gegenüber exakt 5,88 Punkten des SPÖ-Vorsitzenden. Konterkariert wird das Ganze durch den tendenziösen Titel: "Entfesselter Michael gegen einen souveränen Werner".

"Österreich" sieht Faymann vorne

Eine Diktion, die auch Wolfgang Fellner in seiner Gratiszeitung "Österreich" gewählt hat. "Spindi war der offensive, Faymann ist souveräner", schreibt Fellner in seinem Kommentar zum Kanzlerduell. Und er setzt noch eins drauf: "Faymann ist in TV-Duellen kaum zu schlagen". Im Bericht zum Kommentar steht zu lesen: "Faymann siegt in den Themen sechs zu eins". Ärgerlich nur, dass bei einem Voting auf der Website der Zeitung beharrlich Spindelegger vorne lag. 52 Prozent sahen am Ende den ÖVP-Chef als Sieger. Was "Österreich"-Macher Fellner aber rasch und einleuchtend erklärt: "Da hätten offenbar verstärkt ÖVP-Fans gewählt".