Armut als Geschäft

Billige Kredite über wenige hundert Euro, ein Laptop um maximal 100 Dollar oder eine billige, wassersparende Toilette. Gerade in Entwicklungsländern haben Arme oft andere Bedürfnisse, als die wohlhabende Mittelschicht. In den letzten Jahren hat die Industrie das entdeckt und Produkte für Menschen entworfen, die oft von weniger als einem Dollar pro Tag leben. In Europa sind Arme in der Regel keine Zielgruppe - außer in Krisenländern.

Morgenjournal, 7.9.2013

Fieberthermometer Kleinstpackungen

In Entwicklungsländern sind oft 40 Prozent der Bevölkerung von Armut betroffen. Daher ist es laut Martin Schenk von der österreichischen Armutskonferenz ein positives Zeichen, wenn sich Unternehmen auf die Bedürfnisse dieser Bevölkerungsgruppe einstellen - zum Beispiel indem sie besonders kleine Packungen Waschmittel verkaufen, die man sich auch mit sehr wenig Geld noch leisten kann. In Europa sind solche Kleinpackungen kein Thema, zum Teil werden sie sich aber in den letzten Jahren in Krisenländern wie Griechenland oder Rumänien verkauft. Martin Schenk findet das bedenklich.

Wenn sich in Industrieländern eigene abgeschottete Märkte für Arme entwickeln sei das ein Zeichen dafür, dass die Unterschiede zwischen arm und reich größer werden, so Schenk. Dabei räumt er ein, dass solche Sondermärkte auch etwas Positives haben können. Zum Beispiel, wenn sie auf Initiative der Betroffenen entstehen. Schenk berichtet von einem Beispiel in der pleitegegangenen Stadt Detroit. Dort gibt es etwa Platz in den Kirchen, so Leute ihre Sachen tauschen können.

Positiv sieht Schenk daher, dass in Österreich Menschen mit niedrigen Einkommen keine eigene Zielgruppe sind. Das sagt auch die Spartenobfrau Handel in der Wirtschaftskammer Bettina Lorentschitsch.

Eine Ausnahme gibt es aber: die Sozialmärkte. Dort können nur Menschen mit niedrigem Einkommen einkaufen und Waren erstehen, die Supermärkte aussortieren und spenden - weil sie zum Beispiel bald ablaufen. Auch wenn Schenk Sozialmärkte prinzipiell in Ordnung findet, schlägt er vor, zusätzlich mit Modellen zu experimentieren, die keine getrennten Märkte für Arme und Wohlhabende einführen. Zum Beispiel das italienische sospeso System. Wer möchte, bezahlt mit dem eigenen Kaffee einen zweiten. Der Wirt führt schreibt einer Tafel mit, wie viele Kaffees schon gespendet wurden. Wer möchte, kann einen davon dann bei Bedarf gratis konsumieren - egal ob arm oder wohlhabend.