Neue Töne aus Teheran

Der neu gewählte iranische Präsident Rouhani lässt mit ungewohnten Tönen aufhorchen. Der Iran wolle in den Beziehungen mit dem Westen ein neues Kapitel aufschlagen, lassen Rouhani und sein Außenminister verlauten. In der Atomfrage will man sich flexibler zeigen, in der Syrien-Krise mit dem Westen kooperieren. Und während Rouhanis Vorgänger Ahmadinejad noch den Holocaust geleugnet hat, schickt der Neue per Twitter Glückwünsche zum Jüdischen Neujahrsfest.

Mittagsjournal, 7.9.2013

Mit Zustimmung Chameneis

Innerhalb weniger Wochen hat der neue iranische Präsident vieles getan, was unter seinem Vorgänger Ahmadinejad noch als undenkbar gegolten hat. Er hat gegen ein tief konservatives Parlament eine ganze Reihe liberaler Minister durchgesetzt. Er hat die Atomverhandlungen mit dem Westen direkt an sich gezogen. Bisher lag dieses brisante Thema unter der klaren Zuständigkeit des geistlichen Führers Ali Khamenei. Und er hat jede Menge freundlicher Botschaften an den Rest der Welt ausgesendet.

Nichts davon hätte Rouhani machen können ohne die Zustimmung des Obersten Führers Ali Chamenei. Denn der verkörpert die absolute Vormachtstellung der Geistlichkeit. Offenbar wollen auch die geistlichen Führer ihr Land aus der internationalen Isolation herausholen, und die Last der Wirtschaftssanktionen loswerden – ohne allerdings ihr Atomprogramm aufzugeben.
Den Syrien-Krieg sieht man in Teheran als Gelegenheit, mit dem Westen ‚auf Augenhöhe‘, wie es heißt, ins Gespräch zu kommen. Der Iran könnte seinen langjährigen Verbündeten Assad dazu bringen, Zugeständnisse zu machen, und beispielsweise seine chemischen Waffen an Russland oder ein anderes Land zu übergeben.
Das wäre im Interesse des Westens wie auch des Iran. Denn niemand will, dass diese Massenvernichtungswaffen in absehbarer Zeit in die Hände der Al Kaida fallen.

Kurswechsel noch in Schwebe

Doch das alles bedeutet noch nicht, dass der Iran seine Außenpolitik grundsätzlich ändern wird. Eher will der Oberste Führer Ayatollah Chamenei abwarten, was der neue Präsident mit seiner diplomatischen Linie erreicht. So wie die Kräfte in Teheran verteilt sind, kann die Geistlichkeit den gewählten Präsidenten jederzeit stoppen und zu einer Marionette degradieren. So wie das mit seinem Vorgänger Ahmadinejad geschehen ist. Und auch mit dessen Vorgänger, dem Reformer Chatami.
Aber kann Rouhani die Konservativen von einem dauerhaften Kurswechsel überzeugen? Das hängt auch sehr stark von den Signalen aus Washington ab. In Teheran weiß man sehr gut, dass über eine Lockerung oder gar Aufhebung der Iran- Sanktionen nicht Obama alleine entscheidet. Dazu braucht der die Zustimmung des Kongresses.

Deswegen beobachtet die iranische Seite jetzt sehr genau, ob und wie Obama sich in der Frage eines Militärschlages gegen Syrien durchsetzen kann. Denn so paradox das klingen mag: Nur wenn Obama in der Syrien-Frage Härte zeigt, kann der Iran darauf hoffen, dass der gleiche Obama dem Iran Entgegenkommen zeigen kann. So sieht man das zumindest in Teheran.

Für den Fall, dass es zu einem amerikanischen Militärschlag in Syrien kommt, will der Iran jedenfalls nicht zum Gegenschlag ausholen, sondern – so Präsident Rouhani, - der syrischen Bevölkerung humanitäre Hilfe leisten. Doch ob der kompromissbereite Präsident auch in diesem Fall die Kontrolle behält, ist ungewiss.

Denn immerhin kämpfen in Syrien auch iranische Revolutionsgardisten. Und die unterstehen nicht Rouhani, sondern dem geistlichen Führer Ayatollah Chamenei. Es ist also nicht auszuschließen, dass ein amerikanischer Angriff gegen Assad das Teheraner Tauwetter beendet, noch bevor es so richtig begonnen hat.

Eines hat die neue iranische Führung allerdings schon erreicht. Von einem amerikanischen oder israelischen Militärschlag gegen den Iran kann derzeit keine Rede sein. Rouhanis freundliche Glückwünsche zum Jüdischen Neujahr haben nämlich in Israel wie in den USA zumindest für Verwunderung gesorgt. Und damit mehr bewirkt als die Verwünschungen seines Vorgängers.