"Zur Lage der Nation"
Korruption: Dauerthema im Wandel
Die Justiz ist gerade dabei, etliche Korruptionsaffären der vergangenen Jahre aufzuarbeiten. Doch Korruption ist keine Mode-Erscheinung, sie hat sich nur gewandelt. War es früher die klassische Beamten-Bestechung, hat man es heute mit professioneller Korruption, getarnt als politisches Lobbying zu tun.
Da haben es die Ermittler schwer mitzuhalten.
27. April 2017, 15:40
Mittagsjournal, 10.9.2013
Nachholbedarf in Österreich
Korruption hat viele Gesichter: Bestechung, Erpressung, Diebstahl, Veruntreuung von Steuergeld, Vetternwirtschaft, Gunstvermittlung, Akzeptanz unangemessener Geschenke, Vertuschung, Einschüchterung, Wahlbetrug und Stimmenkauf. Der Grieche Dimitri Vlassis, Chef des UNO-Büros für Drogen-und Verbrechensbekämpfung in Wien, erklärt: "Fälschlicherweise wird angenommen, dass Korruption in Europa nicht vorkommt. Das stimmt so nicht. Sie ist nur ausgeklügelter. Man kann ganz allgemein sagen, je entwickelter ein Land ist, desto mehr schmieren Unternehmen."
Der Schaden durch Korruption ist enorm. Nach einer Studie der Linzer Universität waren es allein in Österreich im Jahr 2011 27 Milliarden Euro. Europaweit entgehen den Staatskassen mehr als 300 Milliarden Euro an Steuern, sagt Christoph Speckbacher von der Korruptionsbekämpfung des Europarates (GRECO) in Straßburg. Zu den Aufgaben von Greco zählt die regelmäßige Überprüfung. Am aktuellen Bericht wird gerade gearbeitet, wie auch am UNO-Bericht. Beide Berichte werden er aber wohl erst nach der Wahl öffentlich werden. Vor drei Jahren aber waren die GRECO-Mitarbeiter ganz und gar nicht zufrieden mit Österreich: "Es sind einige interessante Maßnahmen ergriffen worden, insgesamt aber steht Österreich noch am Anfang. Polizei und Staatsanwaltschaft sind nicht unabhängig genug. Personal und Weiterbildungsmöglichkeiten fehlen".
Blinder Fleck Parteienfinanzierung
Seit der Europarat Österreich auf die Finger geklopft hat, ist einiges passiert. Das Parlament hat ein neues Antikorruptionsgesetz verabschiedet. Es räumt mit gängigen Praktiken auf. So sind nicht mehr nur Beamte vom Gesetz erfasst, sondern auch Mitarbeitern von staatsnahen und staatlichen Betrieben wie ÖBB und Asfinag, Flughafen, Post, Kammern und Universitäten ist Schmieren verboten.
Ein neuer Straftatbestand wurde eingeführt - das Anfüttern, also wenn jemand durch Geschenke gewogen gestimmt werden sollte. Veranstaltungen wie Konzerte, Festspiele oder Opernball dürfen nur mehr bei "Dienstlichem Interesse" besucht werden. Diese neuen Bestimmungen seien scharf genug, urteilt Andreas Frohner. Der Vorarlberger leitet die Abteilung Korruptionsbekämpfung beim Beratungsunternehmen Ernst&Young. Ein blinder Fleck aber bleibt: die Parteienfinanzierung. Diese sollte "bis ins letzte Glied offengelegt werden", so Frohner. Jede Form von Finanzierung müsste transparent gemacht, auch von Unternehmen, die zu Parteien gehören.
Österreich solle sich jetzt um den Nachwuchs kümmern, rät UNO-Diplomat Dimitri Vlassis. Denn Korruptionsbekämpfung braucht Zeit und Prävention an Schulen wirkt: "Die nächste Generation, meine Kinder, werden viel leichter Nein sagen können; Nein zu Geschenken, Nein zu Schmiergeld."