Doku "Population Boom"
Ein völlig überfüllter Zug in Bangladesh, Menschentrauben auf Zugdächern, fast endlose Slums in Mexiko City. Mit solchen Bildern wird oft vor dem Problem der Überbevölkerung der Erde gewarnt. Doch stimmen die damit verbundenen Katastrophenszenarien wirklich? Das versucht der österreichische Dokumentarfilmer Werner Boote in seinem neuen Film "Population Boom" herauszufinden.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 16.9.2013
Schreckgespenst Überbevölkerung
Mitte der 1960er Jahre gab es 3,5 Milliarden Menschen auf der Erde, 1990 waren es mehr als 5 Milliarden und im Jahr 2011 wurde die Sieben-Milliarden-Grenze überschritten. Bis 2050 soll laut Prognosen mit knapp unter zehn Milliarden Menschen der Höhepunkt erreicht werden. Wie ein Schreckgespenst steht der Begriff der Überbevölkerung über weltweiten Umwelt, Klima- und Armutsfragen. Doch stimmt dieses negative Bild wirklich? Auch der österreichische Filmemacher Werner Boote hat am Anfang an das, wie er sagt, "Märchen" von der Überbevölkerung geglaubt - aber: Der Film "Population Boom" habe im Lauf der Recherchen in Bezug auf seine Ausgangsvermutungen einen Schwenk um 180 Grad gemacht, so der Dokumentarfilmer.
Frauenmangel in China
Um zu diesem Ergebnis zu kommen, hat Boote eine Reise um die Welt gemacht, mit Wissenschaftlern, Menschenrechtsaktivisten und politischen Funktionären gesprochen und Zeichen des Wandels gefunden. Etwa dass die Ein-Kind-Politik in China mittlerweile zu demografischen Problemen führt, weil es einen Frauenmangel gibt. Und im Pro-Kopf-Verbrauch der Ressourcen und beim ökologischen Fußabdruck sind bevölkerungsreiche Länder keineswegs an vorderster Stelle. Ein extremes Gegenbeispiel führt die US-amerikanische Demografin Betsy Hartman an: Das US-Militär verbrauche an einem Tag so viel Erdöl wie das gesamte Land Schweden.
Zweifelhafte UNO
Der Begriff der Überbevölkerung wird zudem von der Politik der westlichen Welt als Druckmittel verwendet, um Wohlstandsambitionen in Entwicklungs- und Schwellenländern einzudämmen. Dabei spielt, so Werner Boote, auch die UNO eine zweifelhafte Rolle: „Das Problem der UNO ist, dass sie heute noch viel zu sehr auf die reichen Nationen hört und damit in vielen Konflikten kein positiver Vermittler sein kann.“
Veränderung von Lebensstilen
Letztlich zielt der Film Population Boom auf die weltweit gerechtere Verteilung von Ressourcen und die entsprechen Veränderung von Lebensstilen ab. Keine unbedingt neue Erkenntnis. Nochmals Werner Boote: „Natürlich stehen da komplexe Prozesse dahinter, aber jeder kann seinen Teil beitragen. Mein Film ist ein Aufruf für soziale Gerechtigkeit und mehr Menschlichkeit“. Doch manchmal steht sich der Film quasi selbst im Weg, etwa wenn er Verschwörungstheoretiker zu Wort kommen lässt, die den üblichen Verdächtigen - also gierigen Weltkonzernen - die Schuld pauschal zuschieben. Klischeehafte Feindbilder dienen nur der Gewissensberuhigung. Der Motivation des Einzelnen, seine Rolle und seinen Lebensstil zu überdenken, ist das nur wenig dienlich.