Kranke Politiker: Mut zur Öffentlichkeit
Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) hat ihre Krebserkrankung sehr rasch nach der Diagnose öffentlich gemacht. Diese Offenheit ist bei Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, keine Selbstverständlichkeit. Immer wieder erfährt es die Öffentlichkeit sehr spät, wenn Politiker im Amt erkranken.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 25.9.2013
Mocks spätes Bekenntnis
Die Fernsehbilder sind vielen noch in Erinnerung. Der damalige Außenminister Alois Mock verhandelt den EU-Beitritt Österreichs und ist schon schwer gezeichnet. Dass er krank ist, wird von offizieller Seite nicht bestätigt, umso heftiger darüber aber in den Medien spekuliert. Erst im Februar 1995 erklärt Alois Mock in einer Pressekonferenz, an Parkinson erkrankt zu sein, Jahre nachdem die Krankheit zum ersten Mal aufgetreten ist. Den richtigen Zeitpunkt für die Veröffentlichung zu finden, sei schwierig gewesen, sagt der damalige Pressesprecher von Alois Mock, Herbert Vytiska: "Wie soll man jemandem, der sichtbar leidet und krank ist, das beibringen, dass der Zeitpunkt gekommen ist. Da muss man einfach auch den Respekt vor der Frau haben." Und Mocks Frau wollte die Veröffentlichung lange nicht. Erst als die Anzeichen für die Erkrankung nicht mehr wegzureden waren, haben Parteifreunde Alois Mock zugeredet, an die Öffentlichkeit zu gehen, erzählt Vytiska.
Klestil: Umgang gelernt
Politiker, die während ihrer Amtszeit erkranken, sind keine Seltenheit, der Umgang mit der Krankheit ist unterschiedlich. Dass Bruno Kreisky in seinen letzten Kanzlerjahren Dialysepatient war, sollte die Bevölkerung nicht erfahren. Als ÖVP-Chef Josef Pröll mit einer Lungenembolie ins Spital gebracht wurde, wurde die Öffentlichkeit noch am selben Tag informiert, knapp einen Monat später trat Pröll zurück. Die erste Lungenerkrankung von Bundespräsident Thomas Klestil 1996 bleibt zunächst ebenfalls wochenlang geheim - bis zu einer Pressekonferenz des Ärzteteams, erinnert sich Klestils Pressesprecher Hans Magenschab: "Man muss hier einen Ausgleich finden zwischen den Wünschen des Patienten, seiner Familie und dem öffentlichen Interesse." Aber man habe gelernt, so Magenschab: "Denn bei seiner zweiten Erkrankung, die dann auch zum Tod geführt hat, haben wir die Öffentlichkeit immer umgehend informiert."
Hilfe zur Gesundung
Umgehend informiert hat auch der Chef der oberösterreichischen Grünen Rudi Anschober, als er sich im Vorjahr eine dreimonatige Auszeit wegen eines Burnouts nehmen musste. Zwei Wochen nach der Diagnose ging er via Presseaussendung an die Öffentlichkeit: "Ich habe enorm viel Verständnis und Unterstützung geerntet. Für mich war Ehrlichkeit und Transparenz ein wichtiger Schritt in Richtung Gesundung." Anschober ist sich sicher, dass ein ehrlicher Umgang mit der Krankheit dazu beiträgt, das Image der Politiker zurechtzurücken: "nämlich, dass das genau solche Menschen sind wie andere, mit Stärken und Schwächen."
Wann ein Politiker, eine Politikerin eine Erkrankung öffentlich macht, ist eine zutiefst persönliche Entscheidung, sind sich alle drei einig. Aber: am Gesundheitszustand eines Politikers bestehe auch berechtigtes persönliches Interesse, sagt Hans Magenschab. Daher gelte auch der Grundsatz: "Offenheit ist ein besseres Rezept als Geheimnistuerei." Weshalb ihm auch die Vorgangsweise von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer großen Respekt abringe, ergänzt der ehemalige Mock-Pressesprecher Helmut Vytiska.