Shanghai: Experiment Freihandelszone

In Shanghai startet an diesem Wochenende ein neues wirtschaftliches Experiment, das von staatlichen chinesischen Medien als Meilenstein in Chinas wirtschaftlicher Öffnungspolitik gefeiert wird. Im Finanzviertel Pudong soll eine Freihandelszone entstehen, in der künftig viel liberalere wirtschaftliche Regeln gelten als im Rest Chinas.

Mittagsjournal, 27.9.2013

Begrenzte Freiheit

Ausländer sollen sich in der neuen Freihandelszone von Shanghai wie zuhause fühlen, werden hochrangige Regierungsmitarbeiter anonym zitiert. Und dazu gehört eben auch, dass sie Angebote wie Facebook, Twitter oder die Online-Dienste der New York Times nutzen können, die derzeit von Chinas großer Firewall blockiert werden. Andere Medienberichte bezweifeln jedoch, dass diese Information stimmt. Vieles scheint im Fluss. Selbst wenn die Internetzensur in der neuen Wirtschaftszone fallen sollte - im Rest Chinas werden die Zensurbestimmungen sicher nicht gelockert werden.

Lieblingsprojekt des neuen Premierministers

Trotzdem soll die 29 Quadratkilometer große künftige Freihandelszone ein Pilotprojekt für Chinas weitere wirtschaftliche Öffnung sein. Ausländische Banken sollen Offshore-Geschäfte durchführen können, Kreditinstitute generell die Zinsen nach Marktgesetzen festlegen dürfen. Der Yuan soll relativ frei konvertierbar sein. Derzeit ist es Chinesen nicht gestattet, pro Jahr mehr als den Gegenwert von 50.000 US-Dollar ihrer Landeswährung in ausländische Währungen umzuwechseln. Die Unternehmenssteuer soll von 25 auf 15 Prozent gesenkt, die bürokratischen Hürden sollen deutlich verringert werden.

Die Freihandelszone in Shanghai gilt als Lieblingsprojekt des neuen Premierministers Li Keqiang, der bei seiner Antrittsrede umfangreiche wirtschaftliche Reformen versprochen hat: "Manchmal ist das Aufwühlen von Sonderinteressen schwieriger als das Aufwühlen der Seele. Aber wie tief das Wasser auch ist, wir müssen hinein, zu Reformen gibt es keine Alternative. Das Schicksal unseres Landes, die Zukunft unserer Nation hängt davon ab."

Widerstand von allen Seiten

Kritiker des Premierministers haben massiv Widerstand gegen das Projekt von Shanghai geleistet. Dem linken Parteiflügel sind liberale Wirtschaftsreformen ohnehin ein Dorn im Auge. Als Reformbremser gelten aber auch die Kapitäne der staatlichen Banken und großen Staatsbetriebe, die über ihre engen Beziehungen zur Partei bisher wirtschaftliche Pfründe genossen haben. Mehr Transparenz und Wettbewerb können sie wenig abgewinnen.

Auch wenn jüngst eine neue Kampagne gegen freie Meinungsäußerung im Internet rollt, auch wenn wieder einmal westliche Werte von der Parteipropaganda verteufelt werden und wenig darauf hindeutet, dass Chinas neue Führer ernsthaft politische Reformen planen.

Reformen nötig

Was Chinas Wirtschaft angeht, scheinen Präsident Xi Jinping und sein Premierminister entschlossen, der Öffnungspolitik einen weiteren Schub zu geben nachdem die letzte Generation an Führern in den vergangenen 10 Jahren wirtschaftspolitisch kaum etwas weitergebracht hat. Chinas Wirtschaft hängt zu stark von Exporten und staatlichen Investitionen ab. Chinesen konsumieren zu wenig, Banken bevorzugen Staatsbetriebe und knebeln private Unternehmer, die Provinzen stöhnen unter immer höheren Schulden. Chinas wirtschaftliches Erfolgsmodell ist angezählt. Das Projekt in Shanghai dient als neues Experiment. Nur, ob es so wie angekündigt verwirklicht wird, ist unklar. Und hängt letztlich davon ab, ob sich die Reformkräfte auf Dauer gegenüber Betonköpfen und Bremsern durchsetzen können.