Frankreich: Streit um Roma

Frankreich und die Roma – ein Dauerthema. Der zum rechten Lager der Sozialistischen Partei gehörende Innenminister Valls sagte diese Woche, diese Bevölkerung sei einfach nicht zu integrieren und nicht dazu berufen, in Frankreich zu bleiben. Dies löste nicht nur erneut Kritik in Brüssel aus, sondern hatte im Land selbst eine heftige Polemik und eine Krise im Kabinett zur Folge.

Morgenjournale, 28.9.2013

Aus Paris berichtet ORF-Korrespondent

"Kernige" Aussagen des Inneministers

Schon seit einem Jahr präsentiert sich Innenminister Manuel Valls, sowohl im Gehabe als auch mit kernigen Äußerungen, als der neue Nicolas Sarkozy. Seit ebenso langer Zeit muss er sich vorhalten lassen, dass sich zum Beispiel an der Politik gegenüber den Roma praktisch nichts geändert hat. Die Auflösung der Lager und die Ausweisungen gehen weiter, wie unter den konservativen Vorgängern.

In dieser Woche ging der sozialistische Innenminister mit Blick auf die Kommunalwahlen in wenigen Monaten noch einen Schritt weiter: "Es ist illusorisch zu glauben, dass man das Problem der Roma allein durch Integration lösen kann. Man muss den Franzosen die Wahrheit sagen. Diese Bevölkerung hat völlig andere Lebensweisen als wir und diese Lebensweisen stehen in Konfrontation zueinander. Also muss man sagen, die Roma sind dazu berufen, nach Rumänien oder Bulgarien zurück zu kehren."

Kritik aus Brüssel

Ein Aufschrei der Empörung ging durch die Reihen von Menschenrechts- und Hilfsorganisationen. Die Vorsitzende der Menschenrechtsliga: "Was der Minister da sagt, ist völlig deplaziert und übertrieben. Die Roma sind Menschen wie wir und haben dieselben Rechte."

Aus Brüssel rief die Rechtskommissarin Vivianne Reding Frankreichs Regierung zur Ordnung, verwies auf die Mittel zur Integration, die die Kommission zur Verfügung stellt: "Das Geld kommt nicht dort an, wo es sollte, in den Gemeinden, wo es Probleme gibt, wo die illegalen Lager aufgelöst werden müssen. Aber danach? Was macht man mit den Menschen, wenn die Lager geräumt sind? Was passiert bei der Integration? Ich sehe da nichts."

Sozialistische Bürgermeister solidarisieren sich

Bezeichnend ist aber, dass dieser Tage so gut wie alle sozialistischen Bürgermeister der französischen Großstädte sich mit dem Innenminister solidarisch erklärten, betonten, dass sie weder über die finanziellen noch personellen Mittel verfügten, Integrationsarbeit zu leisten und sowohl Arbeit, als auch Wohnraum schließlich Mangelware seien.

Auf die Kritik aus Brüssel reagierte unter anderem Frankreichs Parlamentspräsident Bartolone auf eine populistische Art und Weise, die der einer Marine Le Pen in nichts nachsteht: "Madame Reding ist genau das, was dazu führt, dass wir Europa nicht mehr lieben. Europa kann nicht die Mutter mit der Peitsche sein. Man hat die Nase voll von diesen europäischen Kommissaren, von Barroso und seinen Kindern, die in Europa nur ein Europa der Sanktionen sehen."

Hollande schweigt

In der französischen Regierung zeigten sich einige Minister relativ betreten, verharrten aber in Schweigen. Nur die Wohnungsbauministerin von den Grünen griff ihren Kabinettskollegen öffentlich an: "Man kann doch nicht sagen, dass es gewisse Kategorien der Bevölkerung gibt, die sich nicht integrieren können auf Grund ihrer Herkunft oder Lebensweise. Dies zu sagen, stellt unseren republikanischen Pakt in Frage. Wir können nicht sagen, dass Sarkozys Brandrede gegen die Roma damals der absolute Horror war, und denken lassen, dass wir dieselben Methoden anwenden. Hier ist der Präsident der Republik gefragt."

Doch Präsident Hollande schweigt. Seine Umgebung ließ aber durchblicken, dass er hinter seinem Innenminister steht.