Italien atmet auf

Die italienische Regierungskrise hat gestern in einer dramatischen Sitzung im Senat ein überraschendes Ende gefunden: Silvio Berlusconi, der die Krise ausgelöst und seine Minister angewiesen hatte, die Regierung zu verlassen, erklärte kurz vor der Abstimmung, er wolle die Koalition nun doch weiter unterstützen. Die Krise ist vorerst abgewendet, aber die politische Landschaft Italiens hat sich grundlegend verändert

Morgenjournal, 3.10.2013

Sensationelle Kehrtwende

Silvio Berlusconi ist ein Meister der politischen Schachzüge. Doch seine gestrige Kehrtwende im allerletzten Augenblick ist nach Ansicht der meisten Kommentatoren ein Zeichen seiner extremen Schwäche.

"Debakel, Implosion der Berlusconi-Partei" - lauten die Schlagzeilen heute. Berlusconi kämpft nur mehr um sein politisches Überleben.
Der radikale Flügel seiner Partei hatte ihn gedrängt, aufs Ganze zu gehen, die Regierung zu stürzen und Neuwahlen zu erzwingen.
Und zwar bevor er seine Immunität verliert und unter Hausarrest landet.

Also ordnete Berlusconi am Wochenende den Auszug seiner Minister aus der Koalition an. Doch zum ersten Mal in seiner zwanzigjährigen politischen Laufbahn haben ihm seine gemäßigteren Parteifreunde die Gefolgschaft verweigert.

Als gestern im Senat klar wurde, dass die Regierung auch gegen seinen Willen überleben würde, kam Berlusconis sensationelle Kehrtwende, die auch seine Parteifreunde völlig überraschte.

Aber seine Hoffnung, mit diesem Schachzug die Einheit seiner Partei wiederzuherstellen, dürfte unerfüllt bleiben. Beim Verlassen des Senats empfing ihn lautstarker Protest. Inzwischen haben mehr als fünfzig Politiker seiner Partei - Abgeordnete und Senatoren - beschlossen, eine eigene Organisation zu gründen. Sie wollen den radikalen Kurs, auf den sich Berlusconi begeben hat, nicht mitmachen, sondern sich den gemäßigten konservativen Werten der Europäischen Volksparteien anschließen.

Versöhnung nicht in Sicht

Die Gräben zwischen den beiden Flügeln sind so tief, dass an eine Versöhnung vorerst nicht zu denken ist. Radikale und moderate Berlusconi-Anhänger tragen ihren Streit in aller Öffentlichkeit aus. Auch gestern Abend, in den Fernsehdiskussionen - kurz nachdem sie wieder gemeinsam für die Regierung gestimmt hatten.

Während die Vertreter der harten Linie Verrat rufen, sprechen die anderen von einer verantwortungslosen Scharfmacherei. Beide streiten sich, wer Silvio Berlusconis Interessen besser vertritt. Er selbst aber kann aus diesem Streit nur als Verlierer hervorgehen.