Christiane F.: Die Biographie nach dem Bahnhof Zoo
Sie war und ist das bekannteste Drogenopfer Deutschlands: die Frau, die als Christiane F. Ende der 1970er Jahre Hauptfigur des Buches „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ wurde - ein Buch, das schonungslos das Leben jugendlicher Drogensüchtiger im damaligen Westberlin schilderte. Heute steht ihr voller Name auf einem Buchtitel. Christiane Felscherinow zieht in einem neuen Buch Bilanz über ihr bisheriges Leben.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 10.10.2013
Wir sitzen vor einem Lokal in Berlin-Kreuzberg an einer ziemlich lauten Straßenecke. Christiane Felscherinow, die Frau, die als Christiane F. bekennt wurde, sitzt nicht gerne drinnen. Ihr wird sehr schnell heiß und nie kalt, eine Nebenwirkung ihrer Therapie, die auch eine Art Sucht bedeutet. Christiane F. bekommt Methadon, einen Ersatzstoff für Heroin, unter ärztlicher Aufsicht, was nicht heißt, dass es eine gesunde Alternative ist.
Christiane F. ist 51 Jahre alt, sieht nicht allzu schlecht aus, obwohl ihre Leber schwer angegriffen ist, wie sie gerne zugibt. Mit 16 Jahren glaubte sie nicht, jemals dreißig werden zu können, jetzt meint sie, sie hätte ihr neues Buch mit einer Hauptbotschaft in die Welt gesetzt.
Mit zwölf Jahren ist sie eingestiegen in ihre Suchtkarriere, mit 14 ging sie auf den Strich, um Heroin auftreiben zu können. mit 16 lief sie zwei Reportern des Magazins "Stern" über den Weg, die von ihrem Witz und ihrer schonungslosen Offenheit beeindruckt waren. Es entstand das Buchprojekt "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" mit Christiane F. als zentraler Figur. Einer der größten Bucherfolge, die Deutschland je erlebt hat, mit anschließender und ebenso höchst erfolgreicher Verfilmung.
Und jetzt das nächste Buch. "Mein zweites Leben" heißt es, es beruht auf langen Interviews, die Christiane F. der Journalistin Sonja Vukovic gegeben hat. Eine Reise durch die Zeit und durch eine Welt, auf der immer der Schatten der Drogen liegt. Über die Menschen, mit denen sich Christiane F. anfreundet, in Griechenland, in der Schweiz, in Berlin ergeben sich immer wieder neue Kontakte ins Drogenmilieu, und auch sie selbst landet zwischenzeitlich im Gefängnis, mit vielen anderen.
Nach dem ersten Buch und seiner Verfilmung war Christiane F. höchst prominent, sie kannte wichtige Leute, war eine Zeit lang im Haus des Gründers des Diogenes-Verlags in Zürich beschäftigt und saß mit Literaten wie Dürrenmatt und Filmgrößen wie Fellini an einem Tisch. Ihr Leben wurde ruhiger, als sie ihr Kind bekam, einen Sohn. Aber als er 12 war, gab es neue Probleme, der Sohn wurde ihr vom Amt weggenommen, aus der Fürsorgestelle heraus entführte sie ihn, kam bis nach Holland, wo das Vorhaben kläglich scheiterte. Seither lebt der Sohn bei Pflegeeltern, bleibt aber mit seiner Mutter in Kontakt.
Methadon, auch dieses erlaubte Gift ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Aber der Stein der Weisen im Umgang mit der Sucht ist nicht gefunden, das geht aus höchst informativen Zwischenkapiteln über Medizin und Drogenpolitik hervor, mit denen Ko-Autorin Sonja Vukovic das Buch gespickt hat. Sie lassen, vielleicht noch mehr als die persönliche Lebensgeschichte, erspüren, warum auch das zweite Leben der Christiane F. kein leichtes sein kann.