Berufungsprozess gegen Oppositionellen Nawalny
In der Stadt Kirow rund 900 Kilometer nordöstlich von Moskau steht heute Russlands wohl bekanntester Oppositionspolitiker erneut vor Gericht: Alexej Nawalny, jener Mann, der in den letzten zwei Jahren die größten Demonstrationen gegen Präsident Putin organsiert hat und der im September bei den Moskauer Bürgermeisterwahlen gegen den übermächtigen Kremlkandidaten Sojanin beachtenswerte 27 Prozent erzielt hat. Dass der Prozess gegen Nawalny wegen angeblicher Unterschlagung rein politisch motiviert ist, daran zweifelt in Moskau kaum jemand - Nawalny selbst bleibt jedenfalls kämpferisch.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 16.10.2013
Dass der Prozess in Kirow nur einen Tag dauern wird, glaubt Alexej Nawalny eigentlich nicht - trotzdem, er hat eine Tasche mit dem Nötigsten gepackt - für den Fall, dass er, wie er meint, doch sofort ins Gefängnis muss. Und obwohl diese Gefahr für ihn durchaus real ist, gibt sich Nawalny weiter kämpferisch: von einem absurden Prozess spricht er in einem Zeitungsinterview.
Der Vorwurf gegen Russlands wohl bekanntesten Oppositionellen: er soll einen staatlichen Holzbetrieb schlecht beraten und so einen Schaden von 400.000 Euro verursacht haben. Im Juli war Nawalny deswegen bereits zu 5 Jahren Lagerhaft verurteilt worden, der heutige Prozess ist die Berufungsverhandlung - eine Verhandlung, die vielleicht über die politische Zukunft des scharfen Putin-Kritikers entscheidet. Die Justiz ist in Russland alles andere als unabhängig - und so hängt der Ausgang dieses Prozesses nach Meinung Nawalnys nur davon ab, ob ihn die Führung des Landes im Gefängnis sehen will. Manche Oppositionelle halten das für bereits ausgemacht - doch dass auch Überraschungen möglich sind, haben die Ereignisse nach dem Urteil in erster Instanz gezeigt. Da war ja Nawalny zuerst sofort in U-Haft genommen worden - nach nur einem Tag wurde er aber wieder auf freien Fuß gesetzt, konnte damit an den Moskauer Bürgermeisterwahlen im September teilnehmen und erreichte dabei für einen Oppositionellen beachtliche 27 Prozent.
Kreml-Kenner mutmaßen, dass Nawalny damals nur deswegen freigelassen wurde, um den Moskauer Bürgermeisterwahlen zumindest den Anstrich eines demokratischen Wettbewerbs zu geben. Folgt man solchen Überlegungen, so geht es wohl auch diesmal nur um eine Frage: Ist der russischen Führung Nawalny als Kritiker inzwischen zu gefährlich, oder aber passt es dem Kreml im Gegenteil sogar in Konzept, dass das Land zumindest einen populären Oppositionellen hat.