Nawalny vorübergehend frei

In Russland ist der Oppositionspolitiker Alexei Nawalny heute früh überrschend wieder aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Nawalny war erst gestern wegen Unterschlagung zu vier Jahren Haft verurteilt worden, am Abend sind in Moskau und anderen Städten tausende Menschen aus Protest gegen das Urteil auf die Straße gegangen.

Mittagsjournal, 19.7.2013

Zurück nach Moskau

Applaus brandet auf, als Alexej Nawalny von Polizisten in den Verhandlungsaal des Gerichts in Kirov gebracht wird, die ihm als erstes die Handschellen abnehmen. Während die Richter ihre Entscheidung verlesen, lächelt er immer wieder seiner Frau Julia zu, und umarmt sie, kaum dass er wieder ein freier Mann ist - vorübergehend. Bis das Urteil rechtkräftig ist, darf Nawalny das Land nicht verlassen. "Ich bin kein handzahmes Kätzchen, das man einfach aus den Wahlen werfen und dann wieder zulassen kann. Wir fahren jetzt zurück nach Moskau zu unserem Wahlkampfstab. Wie unsere Wahlkampagne von jetzt an aussehen wird, entscheide ich, wenn ich wieder zuhause bin."

Mehrere Monate Frist?

Nawalnys Anwälte haben angekündigt das gestrige Urteil anzufechten, rechtskräftig wird es daher erst, wenn ein Berufungsgericht es bestätigt oder verwirft. Das dauert in der Regel mehrere Monate. Wie man jetzt gesehen habe können Entscheidungen der Gerichte aber auch viel schneller gehen - wenn es irgendjemand für nötig erachtet, kommentiert Nawalnys Anwältin Olga Michailova: "Diese Entscheidung des Gerichts ist in diesem Land beispiellos. Es gibt nur ein oder zwei Fälle, wo jemand in einer solchen Situation aus der Untersuchungshaft entlassen worden ist. Wenn der Richter darauf besteht, bleiben die Leute einfach in Haft."

Vorteil für den Kreml?

Das Gericht begründet die Entscheidung, Nawalny und seinen Mitangeklagten Geschäftspartner Petr Ofizerov aus der Untersuchungshaft zu entlassen, damit, dass Nawalny bei der Moskauer Bürgermeisterwahl im September antreten will. Dieses Recht soll ihm durch die Haft nicht verwehrt werden. Für den Kreml hätte das Vorteile, die Wahl würde durch einen starken Gegenkandidaten für Amtsinhaber Sergei Sobjanin an Glaubwürdigkeit gewinnen - ohne großes Risiko: Sobjanin liegt in letzten Umfragen bei fast 80 Prozent, Nawalny nur bei 14 Prozent. Man kann aber davon ausgehen, dass die Verurteilung, die vorübergehende Entlassung und die Proteste die Bekanntheit von Nawalny deutlich in die Höhe getrieben haben. Auch heute haben sich im Moskauer Stadtzentrum einige hundert Nawalny-Anhönger versammelt. Morgen früh wollen sie ihm bei seiner Ankunft am Moskauer Yaroslawski-Bahnhof einen triumphalen Empfang bereiten.