Moskau: Prozess gegen Oppositionellen

In Russland wird heute das Urteil gegen den Oppositionspolitiker Alexej Navalny erwartet, die Staatsanwaltschaft wirft ihm die Unterschlagung von rund 400.000 Euro vor. Gleichzeitig ist Navalny gestern offiziell als Kandidat für die Bürgermeisterwahl in Moskau im September registriert worden.

Morgenjournal, 18.7.2013

Sechs Jahre Lagerhaft, das fordert die Staatsanwaltschaft in der zentralrussischen Stadt Kirov für Alexei Navalny. Er soll dort im Jahr 2009 Holz im Wert von rund 400.000 Euro von der Firma Kirovles unterschlagen haben - ein besonders perfider Vorwurf, hat sich der Blogger und Oppositionspolitiker Navalny doch eine Namen als Kämpfer gegen Korruption und Misswirtschaft gemacht. Der Prozess strotze vor Merkwürdigkeiten: Die lokale Staatsanwaltschaft hatte das Verfahren bereits zwei Mal eingestellt und eröffnete es erst nach direkter Anweisung aus Moskau wieder. Einige der vorgeladenen Hauptbelastungszeugen konnten sich nicht erinnern, dass Navalny irgendeinen Schaden angerichtet hätte. Navalny selbst rechnet trotzdem nicht mit einem Freispruch:

Ich habe mich für jedes Urteil vorbereitet. Mir ist klar dass ich verurteilt werde, dabei gibt es zwei Varianten: Entweder ich werde durch die konstruierte Anklage zu einem bedingter Haft verurteilt, oder ich werde durch eine konstruierte Anklage zu unbedingter Haft verurteilt.

Kandidat bei Bürgermeisterwahl

Sollte das Urteil auf unbedingte Haft lauten, wird Navalny noch im Gerichtssaal in Untersuchungshaft genommen - und trotzdem bei der Moskauer Bürgermeisterwahl im September antreten, die Moskauer Wahlkommission hat seinen Antrag gestern offiziell angenommen. Denn solange das Urteil nicht rechtskräftig ist, kann Navalny auch gewählt werden, und bei einer Berufung dauert das zumindest mehrere Monate. Denn der Kreml braucht Navalny um der Moskauer Wahl zumindest den Anschein von Legitimität zu geben. In Umfragen ist der Moskauer Bürgermeister von Putins Gnaden Sergei Sobjanin zwar uneinholbar in Führung, allerdings geben gerade 40 Prozent der Moskauer an überhaupt an der Wahl teilnehmen zu wollen. Wenn der einzige ernstzunehmende Herausforderer nach einem fragwürdigen Gerichtsprozess ausgeschlossen wird würde diese Zahl wohl noch weiter ins Bodenlose fallen, die um ein Jahr vorgezogene Wahl endgültig zur Farce. Möglich ist aber auch dass es heute keine Entscheidung gibt. Bei fast allen politischen Prozessen der letzten Jahre - von Michail Chodorkowski bis Pussy Riot - wurde die angekündigte Urteilsverkündung kurzfristig und ohne Angabe von Gründen verschoben.