Groteske in Russland: Toter Anwalt verurteilt
In Russland ist es am Vormittag zu einer Justiz-Premiere gekommen. Erstmals in der Geschichte des Landes ist ein Toter verurteilt worden - der 2009 in einem Gefängnis gestorbene Anwalt Sergei Magnitsky. Beobachter sprechen von einer Justiz-Groteske, mit der korrupte Beamte geschützt werden sollen.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 11.7.2013
Aus Moskau,
Skurriler Prozess
Der Metallkäfig, in dem in russischen Gerichtssälen normalerweise die Angeklagten sitzen, war während des gesamten Prozesses leer. Denn hätte man Sergei Magnitsky wirklich dem Gericht vorführen wollen, hätte man seine Leiche wieder ausgraben müssen - und das wäre nicht das Eigenartigste gewesen, was im Rahmen dieses Verfahrens passiert ist.
Der Anwalt Sergei Magnitsky hatte eine Reihe von Beamten wegen Korruption und Steuerhinterziehung angezeigt. Genau diese Beamten brachten ihn dann ins Gefängnis, wo er im Herbst 2009 nach schweren Misshandlungen und der Verweigerung medizinischer Behandlung starb.
Einreisestopp für russische Beamte
Der Arbeitgeber von Magnitsky, der Investmentfonds Hermitage Capital des Briten William Browder, wollte die Sache nicht auf sich beruhen lassen. Browder startete eine internationale Kampagne und erreichte, dass die USA die "Magnitsky-Liste" beschlossen: Alle russischen Beamten, die in den Tod Browders involviert waren oder sich anderer Verstöße gegen die Menschenrechte schuldig gemacht haben, dürfen nicht mehr in die USA einreisen. Ihre Konten wurden eingefroren. Zu Beginn versprach der damalige Präsident Dmitrij Medwedew noch eine lückenlose Aufklärung des Falles und eine Bestrafung der Verantwortlichen.
Doch inzwischen weht in Russland ein anderer Wind. An Magnitskys Tod im Gefängnis ist jetzt niemand mehr schuld. Umso mehr als Magnitsky ja selbst ein Verbrecher ist und Steuern hinterzogen hat - um das zu beweisen, diente das jetzige Verfahren erklärt Anwalt Alexander Molochow. "Das Verfahren ist tatsächlich absurd. Aber jedes Jahrhundert hat sein eigenes Mittelalter und bei uns beginnt das Mittelalter eben jetzt", so er Anwalt.
Urteil verletzt mehrere russische Gesetze
Das jetzige Urteil verletzt gleich eine ganze Reihe von russischen Gesetzen. Unter anderem darf gegen Tote eigentlich nur dann verhandelt werden, wenn das Verfahren ihrer Rehabilitierung dient, etwa bei Opfern politischer Repression der Sowjetzeit. Doch in diesem Fall ging es darum dem Westen zu zeigen, wer der wahre Schuldige ist. Nicht korrupte Beamte sondern der Tote selbst. Und wenn die entsprechende Anordnung von oben kommt, sind die russischen Richter bei der Auslegung der Gesetze eben sehr flexibel.