Moskau: Prozess gegen toten Rechtsanwalt

In Russland beginnt heute ein Gerichtsverfahren der besonderen Art: Angeklagt ist ein Toter wegen Steuerbetrugs. 2009 ist der Rechtsanwalt Sergej Magnitski in der Untersuchungshaft gestorben, nachdem er einen groß angelegten Korruptionsring russischer Spitzenbeamter auffliegen hatte lassen. Sein Tod im Gefängnis ist bis heute ungeklärt.

Morgenjournal, 18.2.2013

"Illegaler" Prozess

Mehrfach musste der Beginn des Prozesses verschoben werden, weil sich die Anwälte des verstorbenen Sergej Magnitski weigern, am Verfahren teilzunehmen. Nun ernannte das Gericht Pflichtverteidiger, die das Verfahren durchziehen sollen. Doch der Vorsitzende der Moskauer Anwaltskammer, Genri Resnik, bezeichnet den Prozess schlicht als illegal: "Ein Verfahren gegen einen Toten kann nur dann angestrengt werden, wenn dies seine Familie wünscht, um ihn zu rehabilitieren. Dass Behörden von Amts wegen einen Prozess gegen einen Verstorbenen anstrengen, ist eine grobe Rechtsverletzung."

Zu Tode misshandelt

Der Rechtsanwalt Magnitksi war für einen britischen Investmentfonds tätig, als er entdeckte, dass hochrangige russische Beamte den Staat um bis zu 150 Millionen Euro betrogen hatten. Worauf die Justiz nicht gegen diese Beamte ermittelte, sondern Magnitski verhaftete, wegen angeblichen Steuerbetrugs. 2009 starb der Anwalt in einem Moskauer Untersuchungsgefängnis - an einem Herzanfall, so die Version der Behörden. Doch selbst der Menschenrechtsrat des Präsidenten spricht davon, dass der Anwalt zu Tode misshandelt wurde.

Kein Beistand für "Schauprozess"

Neben dem toten Magnitski ist auch sein früherer Arbeitgeber, der Brite William Browder, wegen Steuerbetrugs angeklagt. Er nimmt am Prozess nicht teil und Großbritannien lehnt es ab, Russland in diesem Prozess Rechtshilfe zu leisten. Dazu der ehemalige Vorgesetzte von Magnitski, Jamison Firestone: "Nicht nur Großbritannien, auch kein anderes Land wird Russland Amtshilfe leisten. Es ist ein Verfahren mit vorbestimmtem Ergebnis. Ein Schauprozess, den die russischen Behörden für sich selbst inszenieren."

Auch Menschenrechtsorganisationen und unabhängige Rechtsexperten kritisieren das Verfahren als politisch gesteuert. Der Ruf des toten Magnitski solle endgültig beschädigt werden und die der Korruption beschuldigten Beamten entlastet. Längst schlägt der Fall Magnitski über Russland hinaus Wellen: Die USA beschlossen ein nach Magnitski benanntes Gesetz, das russische Beamte bestraft, die Menschenrechte verletzen. Der Kreml reagierte mit einem umstrittenen Verbot für US-Bürger, russische Waisen zu adoptieren.

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