Hollande unter Druck

Die Situation für den französischen Staatspräsidenten, Francois Hollande, wird - knapp eineinhalb Jahre nach seiner Wahl - immer komplizierter. Seine Umfragewerte sind katastrophal - gerade noch 23 bis 27 Prozent haben von ihm eine positive Meinung. Noch nie war ein Präsident in der 5. französischen Republik so schnell so unpopulär geworden.

Dazu kommt – neben den wirtschaftlichen Problemen des Landes -, dass sogar Hollandes linke parlamentarische Mehrheit immer dünner wird und sich Woche für Woche und bei den unterschiedlichsten Themen zerstritten und gespalten zeigt - zuletzt in der Affäre um die Abschiebung des 15 jährigen Roma–Mädchens Leonarda und ihrer Familie.

Mittagsjournal, 24.10.2013

Großer Zauderer

Dass sich der Staatspräsident persönlich aus dem Elyseepalast zur Abschiebung von Leonarda und ihrer Familie äußerte, als sei dies eine Staatsaffäre und dann noch mit dem wenig realistischen Vorschlag, die Jugendliche könne zurückkommen, aber ohne ihre Familie, war bislang der Gipfel des Lavierens im Machtzentrum der Republik. Seitdem steht Francois Hollande endgültig als der große Zauderer da, als Präsident, dem es an Autorität mangelt und der es jedem recht machen will – in diesem Fall sowohl seinem Innenminister vom rechten Flügel der Partei, als auch den lautstarken Kritikern dieser Abschiebung, Sozialisten Chef Desir eingeschlossen.

Diese Episode war inzwischen mindesten die zehnte, in der sich Frankreichs Sozialisten und die linke Mehrheit zerstritten und gespalten präsentiert haben. So haben jüngst 17 Sozialisten nicht für die neue Pensionsreform der Regierung gestimmt, die Grünen Abgeordneten sogar dagegen, bei der Abstimmung über den Haushalt verweigerten die Kommunisten die Gefolgschaft, grüne Spitzenpolitiker plädierten – kaum dass sich die Affäre Leonarda ein wenig beruhigt hatte – dafür, Frankreichs Schüler sollten nach den Ferien erneut auf die Straße gehen. Konsequenz: die Opposition forderte Premier Ayrault auf, die Vertrauensfrage zu stellen, um zu sehen, über welche Mehrheit er noch verfügt.

In der Tat haben die Sozialisten alleine inzwischen nur noch eine Mehrheit von 3 Stimmen und Clubchef Le Roux hat größte Probleme seine Abgeordneten beisammen zu halten: Ich hab das unseren Parlamentariern klar gesagt, dass wir da eine sehr schlechte Sequenz hingelegt haben, bei der den Franzosen schwindlig wurde und niemand mehr wusste, wer jetzt wofür redete und warum und wer für was verantwortlich war.

Diese Parlamentarier bekommen den Unmut der Wähler über die Zickzack – Politik des Präsidenten und die Querelen innerhalb der Partei oder zwischen verschiedenen Ministern des Kabinetts hautnah zu spüren. Der Abgeordnete Falorni: Wir beziehen von den Wählern in den Wahlkreisen dafür Prügel. Ich möchte, dass sich diese Regierung der Ausmaße des politischen Desasters bewusst wird, zu dem z.B. die Affäre Leonarda geführt hat. Die Bürger sagen uns: hört auf, euch mit solchen Themen zu beschäftigen, wir haben unsere Sorgen und Leonarda ist uns egal.

Von einem Sprecher der Opposition musste sich der Staatspräsident im Parlament sagen lassen: Pierre Mendes France hat einst gesagt, regieren heißt, eine Wahl treffen. Für diesen Präsidenten der Republik heißt Regieren offensichtlich Kompromisse eingehen, nachgeben und verzichten.
Die Beispiele für Orientierungslosigkeit und eine fehlende Linie der französischen Sozialisten häufen sich. Reformen wurden wiederholt zurückgezogen oder amputiert oder katastrophal verkauft. Wir wissen sehr wohl, dass die Bürger von den Steuern die Nase voll haben
so Finanzminister Moscovici. Kurz danach verkündete der Präsident, es werde eine Steuerpause eingelegt - die wird aber erst in zwei Jahren spürbar, gleichzeitig erhielten die Bürger aber ihre deutlich erhöhten Steuerbescheide für dieses Jahr.

Wie sagte doch jüngst ein altgedienter Sozialist, Außenminister Fabius? Es ist nicht verboten, kohärent zu sein. Das Budget ist in Zahlen gegossene Politik. Eine alte Binsenweisheit.