Eine Warnung vor dem Silicon Valley

Smarte Neue Welt

In seinem neuen Buch "Smarte Neue Welt. Digitale Technik und die Freiheit des Menschen" nimmt Evgeny Morozov die Philosophie der Vordenker von Google, Apple und Facebook unter die Lupe.

Morozov hinterfragt die schöne, neue Digitalwelt – und unseren Glauben an sie.

Evgeny Morozov warnt in seinem Buch nicht etwa, indem er die Vorstellungen der "Internet-Zentristen" über unsere Zukunft ad absurdum führt.

Im Gegenteil zeigt er vielmehr, wie unsere Welt aussehen würde, sollten die Vorstellungen der "Gigs", wie er die digitalen Vordenker im Silicon Valley nennt, Wirklichkeit werden. Im Jahr 2020 überwacht dann digitale Technik alle Lebensbereiche.

Möglich wird dies mittels Mikro-Sensoren, die aus einem unbelebten Gegenstand ein "smartes” Gerät machen. Wie zum Beispiel die Idee einer intelligenten Überwachungskamera für den Mülleimer.

Jedes Mal, schreibt Evgeny Morozov, wenn jemand den Mülleimer öffnet, macht die Kamera ein Bild, überträgt es an eine Firma, dort wird analysiert, ob man seinen Müll richtig getrennt hat. Danach werden Punkte vergeben und man wird in sozialen Netzwerken bewertet.

Internet-Apologeten übersehen laut Morozov diese Komplexität unserer Lebenswelt immer wieder. Wir sollten, argumentiert er, nicht die Logik eines Videospiels auf unser Leben anwenden. Nicht alles, was machbar ist, sei auch sinnvoll.

Den Glauben an einfache technische Lösungen für alles bezeichnet er als "Solutionismus". Abgeleitet vom englischen Wort für Lösung: "solution". Und er kritisiert, dass auch die politischen Entscheidungsträger nur allzu gern auf dieses Pferd der schnellen Machbarkeit setzten.

Diese Simplifizierung beginnt für Morozov schon beim "Internet" selbst. Denn, so seine zentrale These: Ein Internet als geschlossene, kohärente Einheit, als ein Netz, das mit einer einzigen Stimme spreche, gebe es gar nicht.

Morozov schreibt deshalb in seinem Buch "das" Internet durchgehend in Anführungszeichen. Es sei immer nur die Momentaufnahme der sich beständig wandelnden virtuellen Präsenz verschiedenster Interessensgruppen.

Morozov nennt diese neue Spielart der digitalen sozialen Kontrolle die "Tyrannei des Sozialen". Verloren ginge dabei die Individualität, es regiere Konformismus und Mainstream. Für Wirtschaft und Politik, spinnt der Autor den Faden weiter, wären derart gleich geschaltete Menschen leicht zu manipulieren.

Sich selbst versteht Morozov als Schrittmacher eines alternativen Internet-Diskurses – auch in Europa. Zwar sei die Technikgläubigkeit etwa im deutschsprachigen Raum wesentlich weniger ausgeprägt als in den USA. Dennoch ist er überzeugt, auch hier zur Debatte beitragen zu können.

Evgeny Morozov entwickelt seine Argumentation gegen den absoluten Technikglauben auf fast 600 Seiten mit Referenz auf eine Vielzahl von Studien und Artikeln. Stets schreibt er mit Leidenschaft, die vielen Details erschweren mitunter jedoch, den Überblick zu behalten.

Im letzten Kapitel beschreibt Morozov, wie Technik seiner Ansicht nach in Zukunft eine positive Rolle spielen könnte. Technik, konstatiert der Autor, sollte uns nicht durch ihr reibungsloses Funktionieren eine heile Welt vorgaukeln, sondern sollte stören und irritieren. Wie etwa ein Radio, das sich automatisch abschaltet, sobald man in seiner Wohnung ein Gerät anmacht, das besonders viel Strom verbraucht.

Nur mit unorthodoxen Maßnahmen, so Evgeny Morozovs Fazit, könnten wir eine Zukunft Made in Silicon Valley aufhalten. Und verhindern, dass wir die Kontrolle über unser Leben aus der Hand geben und Maschinen überantworten.