Bald Doppelstaatsbürgerschaften in Deutschland?

In Deutschland können Kinder von Ausländern zwei Staatsbürgerschaften haben, bis sie 23 Jahre alt sind. Spätestens dann müssen sie sich für einen Pass entscheiden. Das trifft vor allem Deutsche mit türkischen Wurzeln, von denen viele gerne beide Pässe behalten würden. Das Thema Doppelte Staatsbürgerschaft ist in Deutschland seit Jahren ein Kampfthema zwischen den Parteien. Jetzt, wo Union und SPD über eine große Koalition verhandeln, könnten sie sich annähern.

Morgenjournal, 2.11.2013

"Optionsmodell" oder "Optionszwang"

Merve Gül ist Anfang 20 und in Deutschland aufgewachsen. Sie will ihren deutschen Pass behalten und auch den türkischen nicht hergeben: "Ich fühle mich als Deutschtürkin, möchte später einmal in der Türkei arbeiten und wieder zurückkommen." Wäre sie Bürgerin eines anderen EU-Landes oder Schweizerin, hätte sie sehr wahrscheinlich längst eine doppelte Staatsbürgerschaft. Für in Deutschland aufgewachsene junge Türken gilt das nicht. Sie müssen als junge Erwachsene ihre türkische Staatsbürgerschaft aufgeben, wenn sie Deutsche bleiben wollen. Und das stürzt viele in ein Dilemma, zum Beispiel, weil man in der Türkei alle Erbrechte verliert, wenn man keinen türkischen Pass hat.

Der Sozialdemokrat Thomas Oppermann, der für seine Partei bei den Koalitionsgesprächen federführend die Innen- und Integrationspolitik verhandelt, kämpft schon lange gegen dieses "Optionsmodell". Er will die Einbürgerung erleichtern und die doppelte Staatsbürgerschaft ermöglichen.

Diskriminierung vor allem der Türken

Insgesamt 1,5 Millionen Doppelstaatler leben bereits in Deutschland und jedes Jahr werden es mehr. Vor allem EU Bürger und Schweizer, aber auch Israelis, denen die Einbürgerung leichtgemacht wird. Und so ist das "Optionsmodell", das die Gegner "Optionszwang" nennen, vor allem zu einem Gesetz zur Diskriminierung von Türken geworden.

Innenminister Hans-Peter Friedrich, der Verhandlungsführer auf Seiten von CDU und CSU, ist trotzdem strikt gegen die doppelte Staatsbürgerschaft: "Wenn jemand in diesem Land aufgewachsen ist, dann muss er ja beurteilen können, ob er Deutscher sein will oder eben nicht. Diese Entscheidung kann man von Jedem verlangen." Das klingt hart und unumstößlich - ist es aber nicht.

Fürsprecher Seehofer

Denn immer mehr Konservative, die sehr lange strikt gegen die Doppelte Staatsbürgerschaft waren, ändern ihre Meinung. Und jetzt hat auch der bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer mit einem Halbsatz am Rande der Koalitionsverhandlungen aufhorchen lassen. Schon bei den Sondierungen mit den Grünen sagt Seehofer, man sei bereit, über alles zu reden.

In der aktuellen Ausgabe des Magazins „Der Spiegel“ fügt Seehofer hinzu, er wisse nicht, ob es noch Sinn mache die jungen Leute durch diese Zerreißprobe zu jagen. Das erhöhe nicht deren Bereitschaft, sich in Deutschland zu integrieren. Mit Seehofer haben die Befürworter der Doppelten Staatsbürgerschaft einen wichtigen Fürsprecher gewonnen - auch gegen den CSU-Politiker Hans-Peter Friedrich. Denn der ist in Berlin nur solange Innenminister, solange Seehofer das will.