Ein Land zwischen Krieg und Frieden

Kolumbien am Scheideweg

In seinem aktuellen Buch beschäftigt sich der Kolumbien-Kenner Werner Hörtner mit dem Paramilitarismus in Kolumbien.

Wäre Werner Hörtner ein kolumbianischer Autor, dann sollte er sich jetzt besser Leibwächter zulegen. Kritische Journalisten und Menschenrechtsaktivisten leben gefährlich in dem südamerikanischen Land -
insbesondere dann, wenn sie Nachforschungen betreiben zu schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen, in die hohe Militärs, mächtige Paramilitärs oder gar jemand aus dem Umkreis des ehemaligen Präsidenten Álvaro Uribe Vélez verwickelt waren. Der Österreicher Werner Hörtner muss sich kein Blatt vor den Mund nehmen:

Der wohl umstrittenste Präsident Kolumbiens - Álvaro Uribe Vélez - regierte das Land von 2002 bis 2010. Werner Hörtner berichtet detailliert über enge Verbindungen Uribes zu kolumbianischen Drogenkartellen sowie zu rechten Paramilitärs. Ins Leben gerufen wurden diese paramilitärischen Gruppen zunächst von konservativen Viehzüchtern und Drogenbaronen, um sich gegen Überfälle durch die linke Guerilla zu wehren.

Als 1982 ein Guerillakommando die Tochter eines Drogenbarons aus Medellín entführte, platzte diesem der Kragen. Anstatt Lösegeld zu bezahlen, lud er 200 führende Häupter der Landoligarchie zu einem Treffen. Dort wurde beschlossen, bewaffnete Gruppen zur Selbstverteidigung zu gründen.

Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Regierung, Großgrundbesitzer und Drogenbarone werden vereint durch ihre gemeinsamen Gegner: die linke Guerilla, Gewerkschaften, soziale Bewegungen.

Werner Hörtner bezeichnet diese Allianz von Regierung und Paramilitärs als die "vereinten dunklen Kräfte" und er spricht von "Outsourcing" der politischen Verfolgung. Die Regierung will sich nicht selbst die Hände schmutzig machen. Paramilitärs ermorden Oppositionelle und begehen Massaker an Kleinbauern, die im Verdacht stehen, die Guerilla zu unterstützen.

Werner Hörtner ist ein Urgestein der Lateinamerika-Solidaritätsbewegung in Österreich. Er war aktiv am Aufbau von Solidaritätsvereinen und Lateinamerika-Zeitschriften beteiligt. Seit den frühen 1970er Jahren reist er regelmäßig nach Kolumbien. Er wanderte tagelang durch den Urwald zum Hauptquartier der Guerilla-Führer, begleitete Menschenrechtskommissionen bei der Suche nach geheimen Massengräbern und besuchte die indigene Volksgruppe der Nasa.

Im Juli 2012 hatten kolumbianische Tageszeitungen dramatische Bilder gezeigt, auf denen Vertreter der Nasa weinende Soldaten wegtrugen:

"Kolumbien am Scheideweg" ist jedoch keine Sammlung persönlicher Anekdoten - auch wenn der Autor viele davon zu erzählen hätte. Werner Hörtner zeigt sich bescheiden als Chronist im Hintergrund. Akribisch und detailreich hat er Fakten gesammelt, Dokumente ausgegraben, Gespräche geführt.

Gespräche führt auch die kolumbianische Regierung unter Präsident Juan Manuel Santos. Seit einem Jahr verhandelt sie mit der Guerilla ein Friedensabkommen. Werner Hörtner ist grundsätzlich optimistisch, dass tatsächlich ein Frieden zustande kommt. Allerdings fragt er sich: zu welchem Preis? Weder die Guerillaführer, noch die Armee-Offiziere und auch nicht die Paramilitärs möchten nach einem Friedensschluss für ihre Untaten im Gefängnis landen.

Service

Werner Hörtner, "Kolumbien am Scheideweg. Ein Land zwischen Krieg und Frieden", Rotpunktverlag