Bildungsexpertin: Kein Zurück zu Eliteschulen
Die Modernisierung des Bildungswesens ist ein Kernpunkt der laufenden Regierungsverhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP. Als Zeichen der Bewegung hat die ÖVP den Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer zu ihrem Chefverhanler bestellt. Allerdings wird im Umfeld Haslauers über Eliteschulen und Aufnahmehürden diskutiert - für Bildungsexpertin Christa Könne sind das Konzepte aus der Vergangenheit.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 11.11.2013
Potenzialanalyse, Aufnahmeverfahren
Wilfried Haslauer hat sich mit seinen Landeshauptleute-Kollegen aus Vorarlberg und Tirol quasi als Achse der Bildungsreformer in der ÖVP etabliert. Die gemeinsame Schule wird nicht mehr verteufelt, Haslauer will das Gymnasium in der langen Form nur noch für Spezialschulen erhalten. Der größte Teil der Kinder soll in die Neue Mittelschule gehen, die dann fast eine gemeinsame Schule wäre. Aber eben nur fast. Daneben würde eine Elite-Schiene aufgemacht. Und jetzt kommt aus Salzburg auch noch der Ruf nach Aufnahmeverfahren für die Gymnasien - und zwar nicht von irgendwem, sondern vom Landesschulratspräsidenten Johannes Plötzeneder von der ÖVP, Vertrauensmann von Landeschef Haslauer. Plötzeneder ist für eine Potenzialanalyse bei den Neun- bis Zehnjährigen und für Aufnahmeverfahren in den Gymnasien.
"Schädliche Aussonderung"
Bildungsexpertin Christa Könne, die auch für das Bildungsvolksbegehren aktiv ist, schüttelt darüber den Kopf: "Alle Untersuchungen, die ich kenne, zeigen, dass die Diagnostik, die in diesem Alter möglich ist, keine Evidenzen ergibt. Daher frage ich mich, mit welchem Instrument wird man die Schülerströme dann leiten."
Und Könne weiter: "Ich selber und viele andere, wir halten das für schädlich. Jede Aussonderung, ob die der Begabten oder der Behinderten oder was immer Sie einsetzen, ist eigentlich schädlich, weil es um sozialen Frieden geht und Schule ein Ort ist, an dem man Sozialisation lernt."
Die Aufnahmeprüfung an den Gymnasien hat es bis Anfang der 1970er-Jahre gegeben und ist unter Bruno Kreisky von der SPÖ abgeschafft worden. Aus gutem Grund, so die Bildungsexpertin: "Das war ja nicht Jux und Tollerei, sondern das war die Erkenntnis, dass eine Aufnahmeprüfung, eine punktuelle Prüfung in diesem Alter, prinzipiell nichts aussagt."
"Friedensstiftende" Funktion der Schule
Nicht zuletzt bewiesen auch viele internationale Beispiele, dass nicht trennende, sondern integrative Schulsysteme die Zukunft seien, so Christa Könne: "Die, die sich erfolgreich entwickelt haben, die haben einen Ort gefunden - ich meine das sehr räumlich - einen Ort, wo die Kinder gemeinsam hineingehen; was nicht heißt, dass sie auch immer gemeinsam den Unterricht erleben. Ein Ort, an dem man nicht getrennt wird in diejenigen, die für die Schule als Leistungsträger gelten, und die anderen, weil Schule ein Ort der Sozialisation ist, wo Gemeinschaft erlebt wird. Und das ist friedensstiftend." Und Könne warnt: "Wir müssen aufpassen, dass Schule nicht ein Ort wird, der die sozialen Unterschiede noch verstärkt", schreibt die Bildungsexpertin den rot-schwarzen Koalitionsverhandlern ins Stammbuch.