Richard Phillips in den Händen von somalischen Piraten

Höllentage auf See

2009 wird ein unbewaffnetes Handelsschiff vor Somalia überfallen. Der Kapitän gerät in Gefangenschaft der Piraten, das Schiff wird von Navy Seals befreit. Der Kapitän schreibt ein Buch, das von Hollywood verfilmt wurde. "Captain Phillips" mit Tom Hanks in der Hauptrolle.

Piraterie vor Somalia

Im April 2009 kommandierte Richard Phillips die "Maersk Alabama", ein Containerschiff mit Zielhafen Mombasa in Kenia. Dass Piraten in der Region ihr Unwesen trieben, war bekannt. Richard Phillips war diese Strecke schon oft gefahren.

"Ich sagte zu meinen Mannschaften immer: Es ist nicht eine Frage, ob, sondern wann wir angegriffen werden", so Phillips. "Wenn wir oft auf solchen Strecken unterwegs sind, müssen wir damit rechnen. Piraterie vor Somalia ist außerdem kein Einzelfall. Die Handelsmarine kämpft überall auf der Welt gegen Piraten: vor den Philippinen, vor Vietnam, Indonesien, Sri Lanka, in der Straße von Malakka, vor der Ost- und Westküste Afrikas sowie Südamerikas. Derzeit ist die afrikanische Westküste, der Golf von Guinea, vermutlich gefährlicher als Somalia 2009. Damit muss man in der Handelsmarine leben. Das wird immer so sein."

Gedanklich damit zu rechnen ist eine Sache. Tatsächlich von Piraten verfolgt zu werden, ist freilich eine andere. "Also als wir sie zum ersten Mal registrierten, auf eine Entfernung von etwa vier Kilometern, da spürte ich schon einen Druck in der Magengrube", erzählt Phillips. "Tom Hanks sieht man es im Film sehr gut an: wie klar wird, - das sind keine Fischer. Das sind Piraten."

Film mit Tom Hanks

Zur Vorbereitung auf die Rolle des Captain Phillips im gleichnamigen Film besuchte Tom Hanks den Kapitän mehrmals in seinem Haus in Underhill, einer kleinen Ortschaft im US-Staat Vermont.

"Tom Hanks wollte wissen, wie die Routine auf einem Schiff abläuft; er hat sich für das Vokabular interessiert - wie wir was benennen. Er wollte auch mich kennenlernen und ein Gefühl für mich bekommen. Er ist ganz normaler Mensch ohne irgendwelche Allüren. Sich selber nimmt er nicht so ernst, aber die Schauspielerei schon. Wahrscheinlich kann er deshalb in so viele Rollen schlüpfen. Ich finde, er hat mich großartig dargestellt."

Der Film von Regisseur Paul Greengrass komprimiert die fünf Tage des Geiseldramas vor der Küste Somalias auf zwei Stunden. Der Film "Captain Phillips" geht insofern über Kapitän Phillips' Buch hinaus, als er andere Perspektiven mitberücksichtigt: beispielsweise die des Kapitäns des Kriegsschiffs "USS-Bainbridge", sowie die der Elitetruppe der Navy Seals.

Geiseldrama mit entschlossenen Gegnern

Am 8. April 2009 also enterten mit Kalaschnikows bewaffnete, somalische Piraten die "Maersk Alabama" und besetzten zunächst die Kommandobrücke. Der 20-köpfigen Mannschaft gelingt ein spektakulärer Coup: Sie nehmen den Anführer der Piraten gefangen. Ein Versuch, die Piraten vom Schiff in ein Rettungsboot zu manövrieren und so loszuwerden, scheitert. Die Somalis nehmen das Rettungsboot in Besitz - und Richard Phillips als Geisel dazu.

"Wenn man mit fünf Leuten in einem geschlossen, nur acht Meter langen Rettungsboot eingesperrt ist, entwickelt man zwangsläufig Beziehungen zueinander", erinnert sich Phillips. "Doch die Piraten zeigten mir ganz unmissverständlich, dass mein Leben ihnen nichts wert war. Der jüngste ist mir oft mit seiner Kalaschnikow gegenüber gesessen und hat mit dem Abzug gespielt. Und dabei hat er mich angelächelt. Natürlich gab es eine menschliche Komponente und jeder der Piraten hatte eine Persönlichkeit. Letztlich war ich ihnen egal. Und das haben sie mich deutlich spüren lassen."

Richard Phillips unternimmt einen Fluchtversuch. Er springt ins Wasser und schwimmt zu dem nun schon in Stellung gegangenen US-Kriegsschiff. Doch der Versuch scheitert. Die Piraten schlagen, fesseln und bedrohen ihn. Der Kapitän lässt sich aber nicht den Mund verbieten oder einschüchtern. Zumindest nicht so, dass es nach außen sichtbar wäre:

"Ich glaube, es gibt Situationen, da muss man die Angst unterdrücken. Ich konnte mir wirklich nicht vorstellen, wie diese Sache gut ausgehen sollte. Ich hielt es dennoch für wichtig, den Piraten zu vermitteln, dass ich ihr Gegner war, ich war nicht ihre wehrlose Geisel. Sie, die Piraten, zeigten mir, wie ernst ihnen ihre Sache war; und ich wollte ihnen zeigen, dass mir meine Position auch wichtig war."

Am fünften Tag endet das Geiseldrama innerhalb weniger Sekunden: Scharfschützen der Navy Seals erschießen die Piraten. Der einzige Überlebende ist der Anführer. Er wird in der Folge in den USA vor Gericht gestellt und zu mehr als 30 Jahren Gefängnis verurteilt.

Richard Phillips erholte sich nach dem ersten Schock vergleichsweise rasch. Nur ein Jahr nach der Geiselnahme übernahm er sein nächstes Kommando. Die Route führte am indischen Bundesstaat Goa vorbei. Vor Goa, so Kapitän Phillips, gebe es noch mehr Piraten als vor Somalia. Einfach deshalb, weil so viele Handelsschiffe diese Route befahren.

Mehr Schusswaffen, mehr Tote

Eine Frage, die ihm immer wieder gestellt wurde, ist: Wie kam es, dass die Mannschaft der "Maersk Alabama" unbewaffnet und somit den Piraten wehrlos ausgeliefert war? Dafür interessierten sich auch die Gesetzgeber im Kongress, die Richard Phillips in ihre Ausschüsse vorluden.

"Auf den anderen Schiffen, die ich kommandierte, hatte ich immer eine Pistole", so Phillips. "Manchmal gab es auch Gewehre. Das kam immer auf das Schiff, besser gesagt auf die Reederei an. Es spielt auch eine Rolle, welche Länder man ansteuert. Im Nahen Osten gibt es immer mehr Länder, die nicht wollen, dass es Waffen auf Handelsschiffen gibt. Aber meist ist das kein Problem. Denn man deklariert sie beim Zoll und dann werden sie, solange man vor Anker liegt, weggesperrt. Wie gesagt, die 'Maersk Alabama' war das erste Schiff, auf dem ich keine Schusswaffe hatte. Ob es etwas geändert hätte, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Vielleicht wären nur mehr Menschen dadurch getötet worden."

Service

Richard Phillips, "Höllentage auf See. In den Händen von somalischen Piraten, aus dem Amerikanischen von Karlheinz Dürr und Norbert Juraschitz, Heyne Verlag