Überlegungen von Thomas Nagel

Geist und Kosmos

Unser Bild von der Welt ist geprägt durch die Naturwissenschaften, Chemie, Physik, Evolutionsbiologie, die alles, was existiert, mit ihren Methoden erklären können. Eine nicht ganz unwesentliche Lücke im Erklärungsgebäude gibt es aber noch: den menschlichen Geist. Für den Philosophen Thomas Nagel ist dies kein Schönheitsfehler, sondern ein grundsätzliches Problem. Der Geist lässt sich nicht auf physikalische Gesetze reduzieren, meint er in seinem vom Feuilleton hoch gelobten Buch.

Thomas Nagel, 1937 in Belgrad geboren und seit über 30 Jahren Philosophieprofessor an der New York University, ist ein unabhängiger Geist. Nagel beschäftigt seit je her die Frage, wie man das Geistige - also Denken, Vorstellen und Fühlen - mit den Erkenntnissen der modernen Naturwissenschaften in Einklang bringen kann. Das klingt auf den ersten Blick einfach, ist es aber ganz und gar nicht, denn betrachtet man Lebewesen wie den Menschen als Organismus, so muss man dessen körperliche Beschaffenheit wie auch dessen geistige Fähigkeiten in die Überlegungen miteinbeziehen. Thomas Nagel stellt in seinem neuen Buch "Geist und Kosmos" erst einmal eine Grundthese auf:

Wenn Nagels Aussage zutrifft, dann ist es auch falsch, die Biologie, die sich mit Aufbau und Entwicklung von Organismen - Lebewesen und Arten - beschäftigt, als reine physikalische Wissenschaft zu beschreiben. Das hat Folgen - man denke nur an seinen eigenen Biologieunterricht in der Schule: Hat damals jemand von der Entwicklung des Geistes gesprochen?

Der "Geist" ist schwer zu fassen

Klar ist eines: Das, was man "Geist" nennt, lässt sich schwer fassen. Andererseits sind Begriffe wie "Denken", "Vorstellung", "Selbst-Bewusstsein", aber auch "Gefühl" Grundkonstituenten der menschlichen Existenz. Thomas Nagel präsentiert sich sehr bald als entschiedener Gegner dessen, was er "materialistischen Naturalismus" nennt. Diese heute vorherrschende Wissenschaftstheorie beruft sich auf physikalische Gesetzmäßigkeiten, gepaart mit einem nach Darwin weiterentwickelten Evolutionsmodell, das auf natürliche Vererbung, auf Variation von Merkmalen und auf Selektion setzt.

Folgt man diesem Modell, so ist der Geist rein ein Mechanismus, der sich blind aus naturwissenschaftlichen Gesetzen evolutionär entwickelt hat. Alles hätte auch anders kommen können, sagt der Evolutionsbiologe - allerdings mit einem Bewusstsein, von dem er im Alltag niemals behaupten würde, dass sein Vorhandensein sich einem biologisch- kosmischen Zufall verdanke. Für Thomas Nagel sind da Theorien einsichtiger, die mit einem göttlichen Willen argumentieren.

Ein dritter Weg

Wer aber jetzt denkt, Thomas Nagel sei ein Philosoph, der Letztbegründungen einem waltenden Gott zuschreibt, der irrt: Nagel bezeichnet sich selbst als Atheisten. Zugleich widerspricht er vehement dem materialistischen Naturalismus. Das bedeutet schlicht, dass es noch einen dritten Weg geben muss, der das Phänomen "Geist" weder rein materialistisch-darwinistisch noch auf göttlicher Transzendenz beruhend beschreibt.

Und hier, an dieser Stelle, kommt der Kosmos ins Spiel. Wenn das Auftreten von lebendigen Organismen zur Entstehung von Bewusstsein geführt hat, dann muss dem Kosmos per se eine immaterielle geistige Kraft inne wohnen. Geist muss dann, so Nagel, dem "Universum inhärent" sein.

Nagels "Naturteleologie"

Thomas Nagel sucht einen neuen Weg: Wenn Geist und Vernunft grundlegend für die Existenz denkender Wesen, aber auch für die Ordnung des Kosmos bestimmend sind, dann muss es eine Art Zielgerichtetheit in dieser Entwicklung geben. Er nennt das "Naturteleologie". Damit würden Geist und Vernunft grundlegende Faktoren bei der Erschaffung des Kosmos und des organischen Lebens bis zur Existenz des Menschen darstellen, die eben dem Leben an sich eine Zweckmäßigkeit unterstellen.

Die Antwort auf die Frage, wie sich das alles naturwissenschaftlich beweisen lässt, bleibt Nagel allerdings schuldig. Sicher auch deswegen, weil die heutigen, eben materialistisch orientierten Wissenschaftstheorien wenig Hilfe bieten. Auf jeden Fall hat Thomas Nagel sein Buch "Geist und Kosmos" bei den amerikanischen Fachkollegen viel Kritik eingebracht. Er sei den "Kreationisten" und den Vertretern des "Intelligent Designs" viel näher als den Forschern. Dabei hat Nagel nur die klaren Defizite heutiger Theorien zur Entstehung des Lebens und der Intelligenz auf den Punkt gebracht. Für ihn ist der status quo nichts anderes als "ein heroischer Triumph ideologischer Theorie über den gesunden Menschenverstand".

Solche Aussagen kommen bei Forschern naturgemäß nicht so gut an. Für den interessierten Laien ist aber Thomas Nagels Buch "Geist und Kosmos" auf jeden Fall lesenswert. Es bietet viel Information zum de Stand der Forschung, es lädt zum Selbstdenken ein - und dazu, nicht einfach alles zu glauben, was einem die moderne Naturwissenschaft auf dem Präsentierteller darreicht.

Service

Thomas Nagel, "Geist und Kosmos", Suhrkamp

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