Stephen Emmotts apokalyptisches Szenario

Zehn Milliarden

Der Oxford-Professor für Computational Science, also rechnergestützte Wissenschaften, und Leiter eines Microsoft-Labors Stephen Emmott hat ein Buch geschrieben, das wenig Hoffnung lässt. "Zehn Milliarden" schildert drastisch, was geschieht, wenn wir so weiter machen wie bisher.

Am Weg in den Abgrund

Ressourcenknappheit, Überbevölkerung, Klimaerwärmung: Seit der Club of Rome 1972 erstmals die Grenzen des Wachstums zum Thema machte, mangelt es nicht an apokalyptischen Szenarien. Stand die Menschheit damals noch am Rande des Abgrunds, so sind wir heute schon auf dem Weg mitten hinein in die Katastrophe, warnt Stephen Emmott jetzt in seinem Buch "Zehn Milliarden".

Ein Manifest gegen die Gleichgültigkeit wollte Stephen Emmott schreiben, gegen die Ausbeutung unseres Planeten. Denn unser Nichtstun sei erstaunlich angesichts der Dringlichkeit und des Ausmaßes der Probleme, die wir in den nächsten Jahrzehnten zu bewältigen haben. Nur eine radikale Umkehr unserer Lebensweise und Gewohnheiten kann uns retten, meint der Oxford-Professor, und statt nur zu reden sei jetzt höchste Zeit, zu handeln:

"Wir sind in ernsthaften Schwierigkeiten, wenn wir in den nächsten 40 Jahren, geschweige denn in den nächsten 100 Jahren, nicht handeln - und ich meine damit nicht nur kleine Korrekturen wie die Verpflichtung zu einer klimafreundlichen Wirtschaft. Aber noch sind wir nicht bereit, etwas an unserem Lebensstil zu ändern. Wir sind der Motor, der die Probleme selbst vorantreibt. Etwa die Nahrungsmittelkrise, die uns noch in diesem Jahrhundert treffen wird: Um die weltweite Nahrungsversorgung zu sichern, müssen wir bis 2050, spätestens 2100, unsere Nahrungsproduktion verdoppeln."

3 Milliarden Menschen mehr als heute

Die globalen Probleme werden von Jahr zu Jahr drängender, warnt Stephen Emmott, unser Ressourcen-Verbrauch sprengt sämtliche Rekorde, die Kohlenstoff-Emissionsmengen steigen, die Müllberge wachsen. Als bedrohlichsten Faktor sieht der Autor aber das rasche Bevölkerungswachstum.

10 Milliarden Menschen, so viele werden, nach den Hochrechnungen Emmotts, noch in diesem Jahrhundert die Erde bevölkern - 3 Milliarden mehr als heute. Ein Meilenstein, der das ökologische Gleichgewicht, so der Autor, zum Kippen bringen könnte: "Wir dürfen nicht vergessen, dass schon heute mehr als eine Milliarde Menschen einen ähnlich energieintensiven Lebensstil pflegen möchten wie wir. Und 3 Milliarden werden noch geboren, die ebenfalls so leben wollen. Das wird uns noch große Probleme bereiten. Denn wer sind wir, dass wir ihnen das Recht absprechen könnten, so zu leben wie wir?"

Radikale Lösungen gefragt

Wie Ressourcen-intensiv unser westlicher Lebensstil ist, zeigt Stephen Emmott anschaulich anhand unseres Wasserverbrauchs. 3.000 Liter, so viel bedarf es, um einen einzigen Hamburger zu erzeugen. Für die Herstellung eines Kilogramms Schokolade - vom Kakaopflänzchen bis zum fertig verpackten Produkt - werden 27.000 Liter benötigt. Bis 2050 wird sich unser Nahrungsmittelbedarf verdoppeln, sollte es beim momentanen Bevölkerungswachstum bleiben. Und wie es aussieht, gibt es kein Zurück mehr, meint Emmott: "Wir werden den Punkt überschreiten, an dem die Folgen irreversibel sind: Klimawandel, Bodenerosion, Lebensmittel- und Wasserknappheit, Verschmutzung, Schäden im Ökosystem, alles hängt im höchsten Maß voneinander ab."

An Rettung durch erneuerbare Energien glaubt Emmott nicht. Bleibt die Hoffnung auf eine zweite Grüne Revolution. Die erste hatte ja bereits in den 1960er Jahren für steigende Erträge in der Landwirtschaft gesorgt. Aber Stephen Emmott sieht auch darin keinen Ausweg aus dem Schlamassel, denn für eine weitere Grüne Revolution müssten noch mehr Energie und noch mehr Chemikalien eingesetzt werden:

"Ich glaube nicht, dass wir uns da 'heraustechnologisieren' können. Die andere Option wäre, unseren Lebensstil zu ändern. Aber auch da gibt es keine Anzeichen, dass wir dazu bereit sind. Ich glaube auch nicht, dass das reichen würde. Der Umfang der Probleme, mit denen wir konfrontiert sind, sind so immens, dass wir radikale Lösungen brauchen: wie wir leben, wie Volkswirtschaften und Firmen geführt werden, wie politische Systeme und die Weltordnungspolitik geführt werden. Mehr zu recyceln, öfter zur Arbeit zu radeln, ein Elektroauto zu kaufen – das allein löst unsere Probleme nicht."

"I think we are fucked"

Kleine Lebensstiländerungen sind also nicht des Pudels Kern. Auch nicht die internationalen Klimakonferenzen, auf denen es bisher eher um Lippenbekenntnisse ging als darum, die Weichen für die Zukunft zu stellen, bedauert Emmott. Der einzige Ausweg wäre eine radikale Reduktion unseres Konsums, aber damit lassen sich eben keine Wahlen gewinnen.

Und so schließt der Autor seinen Appell mit der wenig positiven Aussicht "I think we are fucked". "Ich glaube, wir sind nicht mehr zu retten" heißt es – etwas nobler ausgedrückt – in der deutschen Fassung.

"Ich wollte mit dieser Aussage provozieren und sagen, es geht uns an den Kragen und wie es aussieht, werden wir noch größere Probleme bekommen", so Emmet. "Und wir tun nichts in der Größenordnung, die notwendig wäre, um gegenzusteuern. Es passiert einfach nichts."

Was genau zu tun wäre, um die Katastrophe abzuwenden, das bleibt auch nach der Lektüre von Stephen Emmotts Manifest "Zehn Milliarden" im Dunkeln. So bleibt das ambitionierte Buch ein Sammelsurium an pessimistischen Zukunftsoptionen, angereichert mit durchaus informativen Diagrammen zu Themen wie Kohlenstoffemission und globalem Temperaturanstieg. Nichts Neues, das aber aufrüttelnd und in präzisen Sätzen zu Papier gebracht. Dank der wenigen und teilweise nur zur Hälfte beschriebenen Seiten eine schnelle Lektüre – nur hätte man sich gerade von diesem Autor mehr Ressourcenschonung gewünscht.

Service

Stephen Emmott, "Zehn Milliarden", Suhrkamp

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