Was wir von den erfolgreichsten Säugetieren der Welt lernen können

Lehrmeister Ratte

Ratten sind bei den meisten Menschen nicht besonders beliebt. Sie gelten als schmutzig, leben in der Kanalisation und übertragen jede Menge Krankheiten. Wir Menschen können von Ratten jedoch sehr viel lernen, davon ist die Autorin Kelly Lambert in ihrem Buch "Lehrmeister Ratte" überzeugt.

Seit gut fünfundzwanzig Jahren erforscht Kelly Lambert, Professorin für Psychologie im US-Bundesstaat Virginia, die Hirnfunktionen von Laborratten. Und auch wenn Mensch und Ratte laut einer Studie zu etwa 90 Prozent die gleichen Gene besitzen, war doch die Beziehung zwischen den beiden lange Zeit nicht von besonders großer Zuneigung gekennzeichnet. In die USA kamen die Nagetiere mit Schiffen aus verschiedenen Regionen Europas.

Echt und unverfälscht

Die Forscher erkannten das große Potenzial, das eine Beschäftigung mit diesen Nagern mit sich brachte. Ihre Anpassungsstrategien etwa oder ihr soziales Verhalten. Um Antworten auf ihre Forschungsfragen zu bekommen, stellte Kelly Lambert immer wieder neue Testreihen zusammen und versuchte immer wieder, von den Untersuchungsergebnissen auch Erkenntnisse abzuleiten, die dem Menschen nützen könnten. Die Autorin schätzt bei ihrer Arbeit mit Ratten vor allem deren echtes und unverfälschtes Verhalten.

Diese gelte es dann zu analysieren und in einen anderen Kontext zu setzen. Doch dann stehen am Ende wertvolle Erkenntnisse zu Themen wie Gesundheitsvorsorge, Konfliktlösung, Liebesangelegenheiten, Intelligenz oder familiäre Werte.

Persönlichkeitsabhängiger Stress

Es geht um Ähnlichkeiten im Essverhalten und die Feststellung, dass Ratten genauso gierig auf Junkfood sind wie Menschen; es geht um Abhängigkeiten, egal ob es sich um Zuckerwasser handelt oder Drogen; es geht darum, was die intensive Fellpflege der Nagetiere mit dem Grad an Intelligenz zu tun hat. Gepflegtes Haar ist, zumindest bei Ratten und Mäusen, ein Anzeichen für geistige Gesundheit, meint die Autorin. Und es geht um Stress. Allerdings gibt es Menschen wie Ratten, die besser damit umgehen können. Tests bestätigen etwa, dass mutige Ratten länger leben.

Wie beim Golfspiel

Besonders im sozialen Bereich, bei Interaktionen im Miteinander der Rattenfamilie, im Ausfechten von Gebietsansprüchen oder auch in der Manipulation des anderen zum eigenen Vorteil, fand Kelly Lambert zahlreiche Übereinstimmungen zwischen dem Verhalten der Nager und dem der Menschen.

Begeisterung für die Forschung

Kelly Lambert ist Forscherin mit Leib und Seele. Sie zitiert Studien, erzählt aus dem universitären Alltag, beschreibt die Testreihen, die in ihrem Labor stattfinden, bis in alle Einzelheiten. Die Erkenntnisse, die sie aus den Versuchen zieht, werden auf alltägliche Situationen umgelegt, oft bezieht Kelly Lambert sich und ihre Familie in diese Betrachtungen ein. Wie etwa bei einer Studie, in der eine Rattengruppe auch dann belohnt wurde, wenn sie eine Aufgabe nicht erledigt hatte. Es ging also ums Verwöhnen.

Es gibt, so hat man nach der Lektüre des Buches den Eindruck, tatsächlich einiges, was der Mensch vom "Lehrmeister Ratte" lernen kann. Manches mag banal klingen, etwa: "Eine gesunde Lebensweise ist die beste natürliche Medizin" oder "Psychischer Stress ist schädlich". Dennoch ist es wohl ab und zu gut, das eigene Leben aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Die Begeisterung der Autorin für ihr Forschungsgebiet und dessen Protagonisten macht dieses Buch sympathisch und verschafft auch dem Laien einen oft erstaunten, immer aber interessanten Einblick in die Welt der Forschung.

Service

Kelly G. Lambert, "Lehrmeister Ratte. Was wir von den erfolgreichsten Säugetieren der Welt lernen können", aus dem Englischen übersetzt von Jorunn Wissmann, Springer Spektrum Verlag