Enttäuschung in der Ukraine nach dem Gipfel

Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch hat sich auch beim EU-Gipfel in Vilnius nicht mehr umstimmen lassen. Er hat das geplanten Assoziierungsabkommens mit der EU nicht unterzeichnet. In den frühen Morgenstunden hat die Polizei das Dauer-Protestcamp am Unabhängigkeitsplatz aufgelöst und einige hundert Demonstranten mit Gewalt vertrieben.

2 enttäuschte EU-Anhänger

(c) EPA/FILIP SINGER

Morgenjournal, 30.11.2013

Frostiger Empfang

Der ukrainische Präsident Janukowitsch kommt mit leeren Händen, ohne das geplante Assoziierungsabkommen, vom EU-Gipfel zurück – und der Empfang, den ihm die eigene Bevölkerung bereitet ist frostig: "Schlecht ist das!Das ist sehr schlecht!" "Ich bin sehr enttäuscht, sie werden hier niemanden finden, der sich darüber freut", meint ein Mann. Und er sollte recht behalten. Zumindest hier im Zentrum von Kiew ist die Reaktion auf das Einfrieren der EU-Annäherung durchgehend negativ, egal, wen man fragt.

JA zur EU unter Vorbedingungen

Doch auch der Präsident hat Anhänger. Von weit her lässt er sie mit Autobussen nach Kiew bringen, damit sie dort für ihn demonstrieren. Das offizielle Motto der Veranstaltung, das kann man auf Transparenten auf den Bussen lesen, ist: „Für eine Ukraine in Europa.“ Auch der Präsident, der gerade die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens hat platzen lassen, also ein EU-Befürworter? Und was denken die, die mit den Bussen in die Hauptstadt gekommen sind? "Ich bin für die EU, aber im Augenblick klappt es nicht mit Europa", sagt eine Pensionistin. Wegen der Wirtschaftssanktionen aus Russland würden nämlich Arbeitsplätze verlorengehen. "Ausprobieren mit der EU muss man das aber auf jeden Fall, vielleicht geht es uns dann besser", meint eine andere Pensionistin. Ja zur EU, aber nur unter Vorbedingungen, das ist die offizielle Linie, die das Janukowitsch-Lager nun ausgibt.

Polizei löst Protestcamp mit Gewalt auf

Auf dem Unabhängigkeitsplatz im Stadtzentrum sammeln sich unterdessen jene, die Janukowitsch nicht mehr trauen. Auf an die 10.000 Menschen wächst am Abend die Menge an. "Der Präsident und der Ministerpräsident müssen zurücktreten", sagt einer der Oppositionsführer, der Boxchampion Vitali Klitschko. Eine Resolution wird verabschiedet, der Staatsführung wird vorgeworfen, versagt zu haben, Ziel ist nun ein Amtsenthebungsverfahren. Doch die Staatsführung ist sichtlich entschlossen, die Dauerproteste zu beenden. Zeitig in der Früh vertreiben Spezialeinheiten der Polizei einige hundert Demonstranten, die auch über Nacht am Unabhängigkeitsplatz bleiben wollten, mit Gewalt. Die Polizisten schwingen Schlagstöcke, versprühen Tränengas, etliche Demonstranten werden verletzt. Das Dauerprotestcamp ist aufgelöst. Und was jetzt? Die Anführer der Proteste haben jedenfalls zu einer neuen Großdemonstration aufgerufen.

Leben wie in Europa

Und auch viele der jungen Menschen hier wollen nicht aufgeben: "Wir müssen auf die Straße gehen und aufzeigen, dass Janukowitsch nicht die Ukraine repräsentiert. Die Bevölkerung – das ist die Ukraine", sagt eine junge Frau. Das Kräftemessen so scheint es, wird also weitergehen. Auf der einen Seite steht der Präsident – durch die Proteste der vergangenen Tage schon etwas angeschlagen - auf der anderen Seite die größeren Oppositionsparteien, aber mehr noch, eine große Menge meist junger Menschen, die letztlich auch mit der Politik der Opposition nicht wirklich viel anfangen kann, die aber einen Wunsch hat: zu leben, wie die Menschen in anderen europäischen Ländern.