Ägypten: Gesetz macht Proteste unmöglich

Heftige Proteste gibt es derzeit in Ägypten: Der Widerstand gegen eine neue Verfassung treibt Muslimbrüder und nicht-religiöse Aktivisten gemeinsam auf die Staße. Gestern Abend gab es wieder Zusammenstöße. Damit soll aber jetzt Schluss sein, denn ein neues Demonstrationsgesetz macht Proteste fast unmöglich.

Lisa Ulitzka

Widerstand junger Revolutionäre

In Ägypten brodelt es wieder: Es sind aber nicht die unermüdlichen Anhänger der Muslimbruderschaft, die der Übergangsregierung im Moment Kopfzerbrechen bereiten. Es sind die jungen Revolutionäre, die 2011 den damaligen Diktator Hosni Mubarak zu Fall gebracht haben, in diesem Jahr gegen die Muslimbruderschaft demonstriert haben und die seit einer Woche wieder auf die Straßen gehen. Sie sind wütend, weil ein neues Demonstrationsgesetz verabschiedet wurde. Proteste mit mehr als zehn Personen müssen drei Tage im Voraus angemeldet werden und können aus nebulösen Gründen von den Autoritäten jederzeit abgesagt werden. Die Polizei kann Proteste beim geringsten Anlass mit Gewalt auflösen, und Demonstranten drohen bei vagen Tatbeständen schwere Gefängnisstrafen.

Ikone der Revolution

Für Ahmad Harrara, einen Revolutionär der ersten Stunde, trägt das Gesetz klar die Handschrift eines Militärregimes, das jetzt wieder vor den Vorhang tritt. "Das Regime will nicht, dass sich ihm irgendwer widersetzt. Ich akzeptiere dieses Gesetz nicht, weil ich finde, es gäbe wichtigere Dinge zu tun, und zweitens sollte es erst eine Verfassung geben und dann kann man Gesetze machen." Ahmed Harrara ist blind. Das war er nicht immer. Der 33-jährige, studierte Zahnarzt hat sein Augenlicht bei Demonstrationen verloren. Scharfschützen haben während der Revolution gegen den damaligen Diktator Hosni Mubarak und den Aufständen danach auf die Augen von Demonstranten gezielt. Im Falle von Ahmed Harrara haben sie zweimal getroffen. Er wurde dadurch zu einer Ikone der Revolution.

"Kampf gegen ein System"

Dass er zu viel geopfert hat für eine Sache, die jetzt wieder den Bach runter zu gehen scheint, sieht er aber nicht so. "Nein, überhaupt nicht. Es gibt Menschen, die viel mehr geopfert haben als ich, aber ich bin eben berühmt geworden. Es gibt Leute die schwerer verletzt wurden und in einem größeren Unglück leben als ich. Aber niemand kennt sie. Und der andere Punkt ist, wir befinden uns im Kampf gegen ein System. Für mich ist es nicht wichtig, welche Mittel oder Waffen sie anwenden. Es ist viel wichtiger, dass ich dieses System stürze."

Die Revolution geht weiter

Menschenrechtsorganisationen innerhalb und außerhalb Ägyptens sowie Aktivisten und Anwälte krtisieren die neue Richtlinie aufs Schärfste. Sie sehen darin große Rückschritte nach den Errungenschaften der Revolution von 2011. Die Demonstrationen, die nach der Verabschiedung des Gesetzes in dieser Woche stattfanden, wurde allesamt gewaltsam aufgelöst und zahlreiche berühmte Aktivisten verhaftet. Für Ahmad Harrara ist die Konsequenz daraus, dass die Revolution weitergeht. "Ich sehe, dass sich etwas verändert. Die Menschen haben bittere Erfahrungen gemacht, aber daraus gelernt. Wir haben begonnen, viele Dinge zu verstehen. Wir haben die Oberhand. Da wir immer noch an die Revolution glauben, während das Regime diese furchtbaren Fehler macht, heißt das, dass sie schwächer werden und wir stärker."