Italien: Chinesen als Textilsklaven

In der italienischen Industriestadt Prato in der Toskana sind gestern sieben chinesische Arbeiter in ihrer Behausung verbrannt, vier haben überlebt, zwei von ihnen liegen auf der Intensivstation. Die Tragödie wirft ein Licht auf eine von Chinesen organisierte halblegale, ausbeuterische Arbeitswelt in italienischen Städten.

Mittagsjournal, 2.12.2013

"Made in Italy" von und für Chinesen

Arbeiten, essen, schlafen, - alles in derselben Werkshalle - in Prato, unweit von Florenz, in der vornehmen progressiven Toscana. Prato war einst das Herz einer hochwertigen italienischen Textilindustrie - heute produziert ein unsichtbares Heer chinesischer Arbeiter dort Billigware.

In ihrem Raum aus Pappkartonwänden wurden die elf Chinesen gestern früh im Schlaf von den Flammen überrascht. Die Polizei vermutet, dass ein Heizofen das Feuer ausgelöst hat. Die Textilien in der Fabrikshalle fingen Feuer wie Zunder. Einer der Chinesen, berichten die italienischen Medien, war rettungssuchend am vergitterten Fenster gescheitert und gestorben.

Grell kommt die horrende Realität tausender chinesischer Arbeiter hierzulande zu Tage. 30.000, so wird geschätzt, arbeiten in unzähligen kleinen Fabriken in der Peripherie von Prato. Nur einer von drei ist regulär angemeldet. Zwei Drittel ihrer Ware geht ins Ausland, "Made in Italy", für den chinesischen Markt. Ein Drittel bleibt im Inland.

3.000 Werke in chinesischer Hand

Prato hat eine lange Tradition als ein Zentrum der italienischen Tuchverarbeitung.
Im letzten Jahrzehnt hat die Billigkonkurrenz aus Asien und die Krise der heimischen Textilindustrie den Boden entzogen - Fabriken schlossen, zwanzigtausend Arbeitsplätze gingen verloren. Chinesische Unternehmen kauften die stillgelegten Betriebe. Geschätzte dreitausend Werke sind in ihrer Hand, sodass Prato heute die größte Chinatown Europas hat. Eine durchgreifende Kontrolle, klagt der Bürgermeister von Prato, ist nicht möglich: "Wir machen etwa 300 Kontrollen im Jahr, weit über tausend in den letzten vier Jahren - und wir stoßen immer auf dieselbe Situation - Arbeiter, die wie Sklaven gehalten werden, arbeitsrechtlich fast alles ungesetzlich. Wir beschlagnahmen und schließen die Hallen. Aber wo eine schließt, öffnet woanders die nächste."

Das Problem sei ein strukturelles, sagt der Bürgermeister, und um es an der Wurzel zu fassen, sei der Staat gefragt, die Region, die Provinz, aber auch die großen italienischen Unternehmen, sagt ein Arbeitsinspektor im Morgentelefon heute im italienischen Radio: "Wenn wir in die Betriebe gehen, gibt es da die großen Unternehmen, die sich von anderen, regulären Unternehmen, zuliefern lassen, die ihrerseits Zuliefere haben ... und am Ende der Kette arbeiten diese armen Teufel - das ist die Realität und sie verbreitet sich immer mehr, nicht nur in der Textilindustrie!"

Eine enorme Verletzung der Würde der Arbeiter, kommentiert die Integrationsministerin. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung.

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