Die "Café Sonntag"-Glosse von Joesi Prokopetz

Das Ernste im Komischen

"Das Lächerliche ist niemals das Komische."
(Frei nach Peter Altenberg)
"Es war so lustig, wie haben so geweint."
(Unbekannter Verfasser)

Das Komische auch nur halbwegs in seiner ganzen Tragik zu umreißen, ist eine Aufgabe, die, soweit mir bekannt ist, noch niemandem auch nur im Ansatz restlos gelungen ist. Ein Kalauer drängt sich auf: "Das Ding, das nie gelungen." Es gibt etliche Veröffentlichungen, die "Versuch über das Komische" oder einen ähnlichen Titel haben. Auch dieses ist - kann - nur so ein Versuch sein. Man muss, so scheint es, um das Ernste im Komischen zu entdecken, zunächst ausschließen, was nicht komisch ist:

Also z. B.: das Vordergründige, das Billige (wobei, angesichts des Budgetlochs, heute wirklich oft nur mehr billige Witze möglich scheinen), das Uninspirierte, das sich anheischig Machende, das die Indolenz eines Publikums Bedienende, kurzum das Dumme. Das wahrhaft Komische, das im Kern immer ernsthaft sein muss, kommt aus der Dunkelheit der Verzweiflung und aus den Abgründen der Resignation.

Man nehme einen pointierten Nestroy-Monolog und verblödle ihn durch einen "lustigen Vortrag", zum Beispiel durch groteske Motorik, abstruse Mimik und vernichte ihn dann vollends noch vielleicht mit einem "originellen" Sprachfehler und jeder Nestroy ist hin. Dass "die Welt" beispielsweise "auf keinen Fall mehr lang steht", damit muss es dem Knieriem spürbar ernst sein, die Angst vor dem Planeten muss ihm glaubhaft ins Gesicht geschrieben stehen, erst dann wird es komisch. Das Gleiche gilt für die "Höllenangst" und wenn der Titus Feuerfuchs, angesichts seiner geraubten Perücke und seiner wieder weithin leuchtenden, ungünstigen roten Haare in den Spiegel schaut und: "Othellischer Friseur!" sagt, so muss das voll blankem Hass, und nackter Mordlust sein. Nur dann ist es komisch.

Wenn Stan Laurel geweint hat, so haben wir damals gelacht und lachen noch heute, weil Stan Laurel so herzzerreißend geweint hat wie ein Kleinkind, dem ja tatsächlich auf einmal die ganze Welt zusammenfällt. Und darum war es komisch.

Der große Komiker muss allerdings seinem Text vertrauen können. Wenn man das Blödsinnige, also das eo ipso Nicht-Komische ernst anlegt, dann ist es einfach schlecht und wird auch durch herbeigegrinste Lustigkeit nicht besser.

Und wenn es denn so ist, dass wir 65 Muskeln brauchen, um ein ernstes Gesicht zu machen und nur 10, um zu lachen, dann mag man daran erkennen, dass das wirklich Komische, das aus der Gedankentiefe der Ernsthaftigkeit kommt, sowohl für den Schauspieler als auch für den Autor, eine anstrengende Sache ist, die 65 Muskeln bemühen muss, während sie bei den Rezipienten, beim Publikum, nur derer 10 bedürfen darf.

Seien wir also ein wenig vorsichtig - gerade jetzt, wo Weihnachten droht - wenn wir singen: "Lasst uns froh und lustig sein...," dass wir durch - wenn auch nur vorübergehenden Unernst und damit durch Unachtsamkeit - dem bitteren Ernst der Ereignisse ungeschützt anheimfallen.